Natürlich kündigen sich nicht alle Vulkanausbrüche auf diese Art im Voraus an. Im Gegenteil, ein solch deutlicher Anstieg der Schwefeldioxid-Emissionen im Vorfeld einer Eruption ist eher die Ausnahme. Oft schießen die Gasemissionsflüsse erst während des Ausbruchs selbst in die Höhe. Aber es gibt auch andere Ansätze zur Erforschung der Prozesse im Erdinneren. Entscheidend ist neben der Gesamtgasmenge, die täglich in die Atmosphäre geblasen wird, auch die Zusammensetzung der Emissionen.
Da es mit der DOAS-Methode möglich ist, mehrere verschiedene Spurengase gleichzeitig zu erfassen, können die Wissenschaftler die relativen Mengen der einzelnen Komponenten bestimmen. Die Konzentrationsverhältnisse in der Vulkanfahne werden einerseits durch chemische Prozesse beeinflusst, die in der Atmosphäre stattfinden, andererseits hängen sie aber auch von den im Erdinneren herrschenden Bedingungen ab.
Hinweis auf Prozesse in der Tiefe
So glaubt man zum Beispiel heute, dass Halogene in heißem Magma deutlich löslicher sind als Schwefel. Findet eine Ausgasung in großer Tiefe und daher bei hohem äußeren Druck statt, so entweicht neben Wasserdampf und Kohlendioxid hauptsächlich Schwefel und an der Oberfläche zeigt sich ein niedriges Verhältnis der Halogene zu Schwefel. Gelangt aber das teilentgaste Magma nun näher an die Erdoberfläche, so können bei niedrigerem Druck die Halogene auch in größerer Menge entweichen, was ein erhöhtes Halogene- zu Schwefel-Verhältnis in den Emissionen zur Folge hätte.
Obwohl dieses simple Modell nur unter speziellen Bedingungen Gültigkeit besitzt, illustriert das Beispiel, wie die Gaszusammensetzung dazu benutzt werden kann, an Information über Prozesse im Erdinneren zu gelangen. Deshalb kann man Vulkangasemissionen auch als „Telegramme aus der Tiefe“ ansehen, die uns auf indirekte Art mitteilen, was tief unter der Erdoberfläche vor sich geht. Die Kunst ist es nun, diese verschlüsselten Nachrichten zu entziffern.
Alles ruhig am Popocatéptl…
Am Popocatéptl ist die Lage momentan verhältnismäßig ruhig. Dennoch werden jeden Tag mehrere Tausend Tonnen Schwefeldioxid emittiert, wie das NOVAC-Messnetz meldet. Auch Halogenoxide werden in den aufsteigenden Gaswolken gemessen, aber die Interpretation dieser Daten ist komplex und gehört noch nicht zu den Standardwerkzeugen der Vulkanologen am CENAPRED. Dazu ist die Datenlage noch nicht ausreichend, die Forscher konnten noch nicht genügend Erfahrungen an verschiedenen Vulkanen in unterschiedlichen Aktivitätsphasen sammeln.
Weltweite Datenbank verbessert Warnsysteme
Aber dieser Weg ist bereits eingeschlagen, denn an den 25 Vulkanen des NOVAC-Projekts haben Vulkanforscher inzwischen über 50 Millionen Spektren aufgenommen und in der NOVAC-Datenbank gespeichert.
In Kooperation mit Geowissenschaftlern aus den verschiedensten Bereichen und aus aller Welt können die gewonnenen Erkenntnisse nun zu einem großen Bild zusammengefügt werden mit dem Ziel, ein grundlegenderes Verständnis von vulkanologischen Prozessen zu erlangen. Nur so besteht die Aussicht, in Zukunft zuverlässige Ausbruchsvorhersagen treffen zu können. Für die 20 Millionen Einwohner von Mexico City könnte sich das womöglich als lebenswichtig erweisen.
Christoph Kern und Ulrich Platt / Ruperto Carola / Universität Heidelberg
Stand: 01.10.2010