Bevor der angedockte Raumtransporter aber als Labor- und Schlafraum zur Verfügung steht, heißt es erstmal auspacken. Als erstes werden die Leitungen für Gase, Trinkwasser und Treibstoff mit den entsprechenden Anschlüssen an der ISS verbunden. Das ATV-4 hat diesmal immerhin 570 Liter Trinkwasser an Bord – von maximal möglichen 840 Litern. Diese Ration ergänzt das Wasser, das aus dem Urin und Schweiß der Astronauten rückgewonnen und wieder aufbereitet wird.
Wasser: Jeder hat seins
Allerdings ist das vom ATV gelieferte Trinkwasser nicht irgendein Wasser: Denn die ISS ist zwar ein Konglomerat aus russischen, amerikanischen, europäischen und japanischen Bauteilen und auch ihre Besatzung kommt aus verschiedensten Nationen. Beim Trinkwasser aber herrscht noch eine klare Trennung der Blöcke. Die Wasserleitungssysteme im russischen und amerikanischen Teil der Raumstation sind nicht miteinander verbunden und auch das, was darin fließt, unterscheidet sich: Das russische Wasser ist mit Mineralstoffen angereichert, das amerikanische Wasser enthält dagegen keinerlei Mineralstoffe. Um die Vermehrung von Bakterien zu verhindern, werden dem russischen Wasser zudem Silber-Ionen, dem amerikanischen Wasser aber Jod-Ionen hinzugefügt.
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Das ATV-4, das am russischen Modul Swesda andockt, hat dementsprechend das „russische Trinkwasser an Bord. Das allerdings kommt nicht aus Russland, sondern aus einer Quelle in der Nähe von Turin – weil diese den russischen Vorgaben am besten entspricht. Eigens aufbereitet, wird dieses nun in die russischen Tanks der ISS gefüllt.
Neben den flüssigen und gasförmigen Vorräten hat das ATV-4 210 Spezialtaschen mit insgesamt 2.480 Kilogramm Material geladen – so viel wie kein ATV-Transporter zuvor. Alle Behälter sind mit Barcodes gekennzeichnet, um den Astronauten die schnelle Zuordnung zu erleichtern und das Umladen möglichst effektiv zu machen. Denn viel Zeit ist nicht: Gerade einmal 75 Stunden stehen den ISS-Besatzung zur Verfügung, um den gesamten Nachschub in die Raumstation zu bringen und dafür die 145 Beutel mit Abfällen in den Transporter zu verladen.
Kampf gegen Keime
Weitaus länger hat dafür das Beladen des ATV auf der Erde gedauert: Denn jeder Quadratzentimeter der Behälter, des Innenraums und der Ladung wird dabei akribisch desinfiziert. Mit Wischtüchern und Wattestäbchen bewaffnet rückt dafür ein eigenes Desinfektionsteam der ESA an. Der ganze Bereich von bis zu zehn Metern um das ATV-Frachtmodul herum wird abgesperrt. Von allen Oberflächen werden Proben genommen und mittels DNA-Analysen auf Keime hin untersucht. Auch die Luft im Modul wird auf Schadstoffe hin geprüft.
Diese Vorsichtsmaßnahmen erfolgen aus gutem Grund: Denn in der feuchten Luft der ISSS gedeihen Mikroben und Pilze bestens. Schleppen Transporter wie das ATV zu viele solcher Keime ein, kann das für die Astronauten, aber auch für wichtige Systeme der Raumstation gefährlich werden. Auf der russischen Raumstation Mir sorgte beispielsweise ein Pilzbefall auf Stromkreisen dafür, dass es Kurzschlüsse gab und die Besatzung in Gefahr geriet.
Nadja Podbregar
Stand: 05.07.2013