Wie können die Menschen mit der Sprache malen? Die Ideophon-Systeme in den Sprachen der Welt verfügen über drei Möglichkeiten, wie Sprechen genutzt wird, um sinnliche, sensorische Bilder darzustellen. Die erste Möglichkeit besteht darin, ein Geräusch mit einem Laut zu imitieren, wie im Englischen „boom“ als Geräusch einer Explosion. Dieser Typ wird als direkte Ikonizität bezeichnet. Es ist die einfachste Möglichkeit, aber auch die am meisten beschränkte. Schließlich sind nicht alle Ereignisse mit Geräuschen verbunden.
Lange Silben für lange Ereignisse
Was aber alle Ereignisse gemeinsam haben, ist eine interne zeitliche Struktur. Hier kommt nun die zweite Möglichkeit ins Spiel: Die Struktur der Wörter kann der Struktur der Ereignisse gleichen. Diese Wörter sind “gestalt-treu” in Hinsicht auf die Ereignisse, die sie repräsentieren. Deshalb wird dieser Typ Gestalt-Ikonizität genannt. Wörter können zum Beispiel verlängert werden, um Dauer auszudrücken, geschlossene Silben können das Ende von etwas darstellen und wiederholte Silben können Wiederholungen evozieren — wie in vielen der zuvor angeführten Beispiele.
Drittens und letztens werden manchmal ähnliche Wörter für ähnliche Ereignisse gebraucht. Betrachten wir einmal die folgenden drei Wörter aus dem Semai: greep ‘Früchte kauen’, graap ‘Knuspriges kauen’, griip ‘Cassava kauen’. Sie teilen sich die gemeinsame Matrize gr_p, die man als ‘knuspriges Geräusch’ charakterisieren kann. Weil ähnliche Wörter dabei auch auf ähnliche Ereignisse passen, wird dieser dritte Typ relative Ikonizität genannt.
Lautbild oder normales Wort?
Gemeinsam konstituieren diese drei Arten der Meinungs-Assoziationen den Malkasten des Wortmalers. Sie erlauben darstellenden Wörtern wie Ideophonen, wahrnehmbare Analogien zu Ereignissen zu bilden. Aber woher weiß man, ob eine bestimmte Sprecheinheit als Ideophon – als ein Lautbild – intendiert ist und nicht als ein gewöhnliches Wort?
Vergleichende Untersuchungen zeigen, dass sich hier Sprachen in bemerkenswerter Weise gleichen. So klingen Ideophone in allen Sprachen außergewöhnlich, weil sie besondere Freiheiten im Hinblick auf andere Wörter genießen. Sie verfügen über eine größere Bandbreite möglicher Silbenstrukturen und Wortformen und sie sind auf bemerkenswerte Art und Weise empfänglich für spielerische Wortbildungsprozesse, wie zum Beispiel die Wiederholung von Silben oder Dehnung.
In gesprochenen Äußerungen fallen sie zudem auf, weil sie ein großes Maß an syntaktischer Unabhängigkeit aufweisen – sie folgen der Grammatik weniger streng als andere Wörter. Oft werden sie zudem als eigene Intonationseinheit produziert – herausgehoben aus dem normalen Sprachfluss. Und schließlich werden sie in vielen Sprachen mit sogenannten Quotativmarkierungen, wie zum Beispiel mit “sagen” oder “tun”, Verben eingeführt. All diese Merkmale tragen dazu bei, Ideophone als Darstellungen zu markieren, vergleichbar einem Rahmen um ein Gemälde, der uns sagt, dass wir es als Gemälde und nicht als Tapete interpretieren müssen.
MPG Jahrbuch / Mark Dingemanse / Max-Planck-Institut für Psycholinguistik
Stand: 28.06.2013