Dabei könnte das Vorkommen größer sein. Der WWF hat errechnet, dass asienweit 1,1 Millionen Quadratkilometer Land als Tigerhabitat prinzipiell geeignet sind. Bei zwei Tigern auf hundert Quadratkilometer würde das für 22.000 Tiger langen. Eine aktuelle Feldstudie von Nepals Nationalparkverwaltung zeigt das im Detail. Wissenschaftler entdeckten, dass Tiger in Nepal den Großteil geeigneter Lebensräume wegen geringerer Beutetierdichte gar nicht erst besiedeln. Nur auf 5.049 von 13.915 Quadratkilometern Wald und Grasland in der Terai-Tiefebene südlich des Himalaya waren die Großkatzen präsent. Zuvor waren Zoologen von einer doppelt so weiten Verbreitung ausgegangen.
Wo der Tisch nur karg gedeckt ist, da kein Tiger. „Die Tigerdichte korreliert direkt mit der Dichte an Beutetieren“, schreiben die Forscher im Journal of Zoology. Störungen durch Menschen, seien es Holzeinschlag oder das Weiden von Vieh, spielten eine viel geringere Rolle. Während in den vier unter Schutz gestellten wildreichen Nationalparks und Wildreservaten Nepals Tiger in 17 von 18 Planbezirken vorkamen, fanden sich in über 80 Prozent der eher wildarmen Bezirke außerhalb der Schutzgebiete keine Tiger, obwohl die als Lebensraum grundsätzlich in Frage kamen.
Korridore gesucht
Shannon M. Barber-Meyer, US-Wildbiologin und Autorin der Studie, sieht den Befund nicht nur negativ: „Es bleibt viel geeigneter Lebensraum für Tiger in Nepal – wenn wir uns anstrengen, die Kernpopulationen der Tiger und die Korridore zwischen den Lebensräumen zu schützen.“ In vier von fünf Hauptkorridoren, die Nepals Schutzgebiete mit sieben Tigerschutzgebieten in Indien verbinden, wiesen die Forscher Tiger nach. „Damit gibt es genug genetische Vielfalt in den dortigen Tigerbeständen und auf lange Sicht genug genetischen Austausch“, sagt ihr Kollege Kanchan Thapa vom WWF Nepal.
Entscheidende Bedeutung für das Überleben der Tiere werden Korridore haben. Viele von Indiens Schutzgebieten sind isolierte Inseln. Die müssen miteinander vernetzt werden, um genetische Verarmung zu vermeiden. Lauffaul sind die Tiere nicht. Tiger haben bei der Suche nach Beute und Partnern einen Aktionsradius von 150 Kilometern.
„Vor allem auf Sumatra und in Indien ist die Lebensraumzerstörung enorm und der Tiger verliert seine Heimat“, sagt WWF-Mann Gramling. „Gleichzeitig kommt dann auch noch extreme Wilderei hinzu.“ Und zwar auch die der Beutetiere. Generell sei die Wilderei das größere Problem – vor allem in Indien und in Russlands kaum besiedelter Amur-Region, durch die die letzten etwa 350 Sibirischen Tiger streifen. Welch Bombengeschäft die Wilderei ist, weiß Sandra Altherr von der Artenschutzorganisation Pro Wildlife: „Ein Tiger, dessen Körperteile komplett genutzt werden, bringt auf dem Schwarzmarkt bis zu 100.000 US-Dollar ein.“
Kai Althoetmar
Stand: 17.05.2013