Westafrika, Republik Côte d’Ivoire, Taï-Nationalpark, unweit der Grenze zu Liberia: Zwölf Autostunden von der Hafenstadt Abidjan, drei Stunden unbefestigte Piste entfernt vom nächsten Dorf, liegt mitten im tropischen Regenwald das Camp der Max-Planck-Forscher. Seit mehr als 30 Jahren erforschen Wissenschaftler um den Schweizer Primatenforscher Christophe Boesch hier die Schimpansen, die in diesem Urwald zu Hause sind. Seit 1997 gehört das Camp zum Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Quarantäne ist Pflicht
Die Straße – sofern man die schlammige Piste, die in der Regenzeit auch mit einem modernen Allradfahrzeug oft nur mit Schwierigkeiten zu befahren ist, so bezeichnen möchte – führt bis zum Camp Nord. Von dort geht es zu Fuß zu den drei eigentlichen Forschungscamps. Allerdings erst nach einem längeren Zwischenstopp: Jeder, der ins Camp kommt – egal ob erstmalig oder nach einem Besuch der „Außenwelt” – muss zunächst fünf Tage im Nördlichen Camp zubringen, bevor er oder sie das Forschungsgebiet betreten darf. Diese Quarantäne ist eine unbedingt notwendige Vorsichtsmaßnahme, denn vom Menschen eingeschleppte Krankheiten sind eine der größten Bedrohungen für die Menschenaffen.
Die Max-Planck-Wissenschaftler erforschen im Taï-Nationalpark drei habituierte, das heißt an die Anwesenheit von Menschen gewöhnte, einander benachbart lebende Schimpansengruppen mit zusammen ungefähr 100 Tieren. Ein Ziel der Forscher ist es, das Leben der Taï-Schimpansen in ihrem natürlichen Lebensraum im Detail kennen zu lernen und zu dokumentieren.
Unsere nächsten Verwandten als Spiegel unserer selbst
„Schimpansen ähneln uns in vielerlei Hinsicht”, sagt Christophe Boesch, Direktor der Abteilung Primatologie am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und Gründer und langjähriger Leiter des Taï-Schimpansenprojekts. „Indem wir diese Ähnlichkeiten zu unseren nächsten Verwandten in ihrem natürlichen Lebensraum in Afrika untersuchen, erfahren wir mehr über die evolutionären Wurzeln von Kultur. Und die ist für uns Menschen ja eines der Schlüsselelemente unserer Identität.“
Letztendlich geht es also um die Frage, was den Menschen zum Menschen macht. Sind wir einzigartig in unserer Fähigkeit, Traditionen und Kulturen zu entwickeln und an unsere Nachkommen weiterzugeben? Oder gibt es auch bei Menschenaffen soziale Traditionen, also Verhaltensunterschiede, die weder genetisch bedingt noch durch ökologische Bedingungen erklärbar sind und die innerhalb einer Gruppe von Generation zu Generation weitergegeben werden?
Wichtig auch für den Schutz der letzten Menschenaffen
Um dies zu erforschen, bietet die Forschungsstation des Max-Planck-Instituts im Taï-Nationalpark optimale Bedingungen. Denn hier können die Wissenschaftler Schimpansengruppen beobachten, die nah benachbart unter ähnlichen ökologischen Bedingungen leben und sich auch genetisch kaum voneinander unterscheiden.
Ebenso wichtig ist es für die Forscher aber auch, Basisinformationen zur Gesamtzahl der Affen, Gruppengrößen und Gruppenzusammensetzung im Nationalpark zu erfassen. Denn bisher weiß niemand genau, wie viele der großen Menschenaffen es im Freiland überhaupt noch gibt – weder für Schimpansen, Bonobos und Gorillas in Afrika noch für die Orang-Utans in Asien sind genaue Populationsgrößen bekannt. Doch solche grundlegenden Informationen werden dringend benötigt, um die Auswirkungen natürlicher Veränderungen oder auch den Erfolg von Naturschutzmaßnahmen wissenschaftlich abgesichert zu bewerten.
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Stand: 03.05.2013