Zu einer Schimpansengemeinschaft gehören mehrere erwachsene Männchen, mehrere Weibchen und deren Nachwuchs. Eine solche Gruppe kann zwischen zwölf und 150 Mitglieder umfassen. Die Tiere bleiben aber nicht den ganzen Tag zusammen, sondern streifen in kleineren Gruppen von zwei bis 20 Tieren – sogenannten „Parties“ – umher. Die Schimpansenmännchen der verschiedenen Parties halten untereinander Kontakt, indem sie auf große Baumwurzeln trommeln. Das ist in einem Umkreis von einem Kilometer zu hören. Am Abend kann sich jedoch die ganze Gruppe wieder treffen, um gemeinsam in den Bäumen Schlafnester zu bauen.
Die Männer haben das Sagen
Die Männchen sind in einer Schimpansengruppe das dominante Geschlecht. Unter ihnen herrscht eine strenge Rangordnung. Sobald sie mit 15 Jahren erwachsen werden, müssen sie sich innerhalb der Gruppe behaupten. Der soziale Rang ist wichtig für den Fortpflanzungserfolg: Im Taï-Nationalpark haben die Max-Planck-Forscher herausgefunden, dass durchschnittlich die Hälfte aller Kinder vom Alphamännchen gezeugt wird. Die Zahl der Konkurrenten ist dabei allerdings entscheidend: Waren weniger als vier Männchen in einer Gruppe, stammten sogar zwei Drittel aller Kinder vom ranghöchsten Männchen ab. Bei mehr als vier Konkurrenten hingegen sank die Rate auf ein Drittel.
Aber auch die Anzahl der Weibchen spielt eine Rolle: Gibt es viele von ihnen in der Gruppe, bekommen auch Zweit- oder Drittrangige Männchen eher mal die Gelegenheit zur Paarung. Mit Hilfe von Vaterschaftstests haben die Forscher außerdem nachgewiesen, dass sich die Weibchen bei der Partnerwahl auch außerhalb der eigenen Gemeinschaft umsehen: Von 19 getesteten Schimpansenkindern hatten immerhin zwei einen Vater aus einer anderen Gruppe.
Während Schimpansenmännchen ihr ganzes Leben in derselben Gemeinschaft verbringen, schließen sich die Weibchen anderen Gruppen an, um Familien zu gründen. Ihr erstes Kind bekommen sie durchschnittlich mit 13 Jahren. Meistens kommt nur alle fünf Jahre ein einzelnes Junges zur Welt, das dann bis zur Geburt des nächsten Nachwuchses gestillt wird. Anfangs klammert es sich an den Bauch der Mutter, später wird es auf dem Rücken herumgetragen. Nach sechs bis zwölf Monaten beginnt das Jungtier, seine Umgebung zu erkunden und Spielkameraden zu treffen. Auch wenn es später schon entwöhnt ist, hält es sich noch jahrelang Jahre in der Nähe der Mutter auf. Sie bringt ihm alles bei, was zum Überleben wichtig ist.
Ranghohe Mütter kümmern sich länger um Söhne
Wie Christophe Boesch herausgefunden hat, ist die mütterliche Fürsorge aber nicht immer gleichmäßig verteilt. So kümmern sich bei den Taï-Schimpansen hochrangige Weibchen länger um ihre Söhne als um ihre Töchter: Ist das Baby ein Sohn, so ist der Abstand bis zur nächsten Geburt im Vergleich zu niederrangigen Weibchen zwei Jahre länger. Dieser Unterschied hat möglicherweise einen evolutionsbiologischen Hintergrund: Demnach sollte ein Weibchen mehr in dasjenige Geschlecht investieren, das mehr Enkel verspricht. So kann es die eigenen Gene am effizientesten an nachfolgende Generationen weitergeben.
Indem sich die Mutter intensiv um ihre Söhne kümmert, erhöht sie deren Überlebenswahrscheinlichkeit. Später unterstützt sie ihre Söhne dabei, ebenfalls hohe Positionen in der Gruppe zu erreichen. Eine hohe Position bedeutet mehr Nachkommen – und damit mehr Enkel für die Mutter. In anderen Regionen hat Boesch dieses Phänomen allerdings nicht beobachtet, möglicherweise, weil dort die Schimpansen eine andere Sozialstruktur haben.
Während im Taï-Park 88 Prozent der Weibchen ihre Geburtsgruppe verlassen, sobald sie erwachsen werden, sind es etwa im Gombe Nationalpark in Tansania nur 13 Prozent. Mutter und Tochter bleiben also mit höherer Wahrscheinlichkeit für immer zusammen – ein Anreiz, sich intensiv um Töchter zu kümmern, weil sie später zu wichtigen Kooperationspartnern werden.
Elke Maier / Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Stand: 03.05.2013