Spannung liegt in der Luft: Eine kleine Gruppe Schimpansen-Männchen schleicht durch den Regenwald. Lautlos, mit gesträubtem Fell bewegen sie sich durch das Dickicht, einer hinter dem anderen. Nur hin und wieder bleiben sie stehen, nicht um zu fressen, sondern um an Blättern und Ästen zu riechen und nach verdächtigen Geräuschen zu lauschen.
Die Gruppe ist nicht auf der Jagd, sie sichert ihre Territoriumsgrenze. Dabei dringen sie auch schon mal auf das Gebiet ihrer Nachbarn vor. Treffen sie dabei auf ihre Nachbarn, bricht die Hölle los. Denn begegnen sich zwei Schimpansengruppen oder eine Gruppe trifft ein einzelnes fremdes Männchen, fliegen meist die Fetzen. Manchmal sind die Auseinandersetzungen so gewalttätig, dass sie mit dem Tod eines Männchens enden. Die Mitglieder der verschiedenen Gruppen erkennen sich schon aus größerer Entfernung an ihren Rufen, den sogenannten „pant hoots“ – langsam anschwellende Rufe, die selbst im dichten Dschungel bis zu einem Kilometer weit zu hören sind.
Weniger tödliche Kämpfe als bei anderen Gruppen
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie haben mit einer Playback-Studie untersucht, wie die Schimpansen im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste auf die „pant hoots“ von Nachbarn, Fremden und vertrauten Artgenossen reagieren. Demnach lösen die Rufe von Nachbarn und unbekannten Tieren eine breitere Palette von Gesten aus als die Lautäußerungen von bekannten Gruppenmitgliedern. Auf Artgenossen aus der eigenen Gruppe wird mit „pant hoots“, auf Nachbarn und Fremde dagegen mit Schreien geantwortet. Das zeigt, dass Schimpansen die Rufe von Artgenossen aus der eigenen Gruppe sehr gut von Nachbarn und Fremden unterscheiden können.
Bislang sind in vielen Schimpansengebieten tödliche Auseinandersetzungen zwischen Schimpansen beobachtet worden. Allerdings gibt es offenbar regionale Unterschiede. Boesch und seine Kollegen haben Aufzeichnungen über fast 500 Begegnungen aus 23 Jahren gesammelt und dabei zum ersten Mal tödliche Angriffe bei den Taï-Schimpansen dokumentiert. Die Aggressionen enden dort aber seltener tödlich als in anderen Gebieten. Auch töten Männchen seltener die Jungen von Weibchen aus anderen Gruppen – eine Praxis, die nicht nur von vielen Schimpansenpopulationen, sondern auch von Löwen und andern Arten bekannt ist.
Gegenseitige Hilfe im Kampf gehört dazu
Die Forscher haben darüber hinaus beobachtet, dass sich die Taï-Schimpansen öfter gegenseitig zu Hilfe eilen. Unterstützung aus den eigenen Reihen schreckt die Gegner ab oder schlägt sie in die Flucht, bevor es zu Verletzungen kommen kann. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Sichtverhältnisse im Taï-Park schlecht sind, und die Tiere deshalb nie genau wissen können, wie viele Gegner ihnen tatsächlich gegenüber stehen.
Im Taï-Nationalpark sind die Futterquellen relativ gleichmäßig verteilt, es ist daher unwahrscheinlich, dass es in diesen Kämpfen primär ums Futter geht. In Ngogo in Uganda haben Wissenschaftler dagegen schon beobachtet, dass eine Schimpansengruppe ihr Territorium auf Kosten einer Nachbargruppe vergrößert hat und das zu einer Zeit, als eine bestimmte Frucht in der Grenzzone reif war. Es kann also offensichtlich durchaus zu Auseinandersetzungen um Ressourcen kommen, wie es im Disney-Film gezeigt wird.
Kriegsstrategien wie beim Menschen
Die Kämpfe zwischen Schimpansengruppen werden häufig mit menschlicher Kriegsführung verglichen. Tatsächlich gibt es auffallende Ähnlichkeiten, wie das Auftreten von Koalitionen unter Männchen, eine systematische Kontrolle der Territoriumsgrenzen über Jahre hinweg und tödliche Angriffe auf isolierte Individuen aus benachbarten Gruppen. Ähnlich wie Menschen können sich Schimpansengruppen auch gegenseitig völlig auslöschen, wie Wissenschaftler schon beobachtet haben. Andererseits gibt es aber durchaus auch friedlichen Austausch: den Wechsel geschlechtsreifer erwachsener Weibchen zwischen Gruppen und Besuche von Müttern und deren Kindern.
Schimpansen leben also in einer manchmal friedlichen, manchmal kriegerischen Welt – genau wie wir Menschen. Warum sich die Tiere so aggressiv gegeneinander verhalten und sogar tödliche Verletzungen in Kauf nehmen, wissen die Forscher noch nicht. Sie vermuten aber, dass sie durch die Kämpfe ihren Fortpflanzungserfolg erhöhen können. Denn die Weibchen, die nach Erreichen der Geschlechtsreife ihre Gruppe verlassen, schließen sich bevorzugt großen, wehrhaften Schimpansengruppen an. Möglicherweise versuchen kleine Gruppen mit nur wenigen Männchen durch besonders aggressives Auftreten Eindruck zu schinden und so Weibchen einer größeren Gruppe zum „Seitenwechsel“ zu bewegen.
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Stand: 03.05.2013