Schimpansen sind erfinderisch und äußerst geschickt. Mithilfe ausgewählter Gerätschaften gelingt es ihnen, die extrem harten Panda-Nüsse zu knacken, wehrhafte Ameisen zu angeln oder versteckte Bienennester zu plündern. Um an den süßen Inhalt von Honigwaben zu gelangen, nutzen sie sogar Multifunktions-Werkzeuge.
Mit Hammer und Amboss
Die Schimpansen im Taï-Nationalpark benutzen Hammer und Amboss, um fünf verschiedene Arten von Nüssen zu knacken. Als Hammer dienen Steine oder Holzknüppel, den Amboss bilden Steinblöcke oder harte Baumwurzeln. Obwohl geeignete Materialien im Regenwald selten vorkommen, sind die Schimpansen bei der Auswahl sehr wählerisch. Stets halten sie nach den am besten geeigneten Werkzeugen Ausschau, auch wenn sie diese von weit hertransportieren müssen.
Das Material und die Größe der verwendeten Hämmer unterscheiden sich nicht nur je nach Härte der Nüsse, sondern auch zwischen benachbarten Schimpansengruppen. Die Auswahl ist daher ein kulturell erlerntes Verhalten, das innerhalb der Gruppe von Generation zu Generation weitergegeben wird. Um Nüsse zu knacken treffen sich die Schimpansen immer wieder an den gleichen Plätzen.
Christophe Boesch und seine Kollegen sind auf eine solche Nussknackerwerkstatt gestoßen, die wahrscheinlich mehr als 100 Jahre alt ist. An dieser Ausgrabungsstätte stellten sie mehr als 40 Kilogramm Nussschalen und vier Kilogramm Steine sicher. Die Steine zeigen typische Absplitterungen, die beim Zerschlagen von Nüssen entstehen.
An einer anderen Stelle entdeckten die Forscher eine noch viel ältere Nussknack-Station: Die Werkzeuge aus Noulo sind 4.300 Jahre alt und stammen damit nach menschlichem Maßstab aus der späten Steinzeit. Anhand verschiedener Stärkekörner auf den Steinen konnten sie sogar die Arten der Nüsse identifizieren. Die Funde belegen, dass westafrikanische Schimpansen schon seit Tausenden von Jahren Nüsse mit Steinwerkzeugen knacken.
Übung macht den Meister
Den geschickten Umgang mit dem Werkzeug lernen die Schimpansen schon von klein auf. Bis sie es sicher beherrschen, dauert es mehrere Jahre. Schon Dreijährige starten mit dem Hammer der Mutter ihre ersten Nussknack-Versuche. Die Mutter teilt nicht nur über Jahre hinweg Nüsse mit ihren Kindern, sondern zeigt ihnen auch wie man die Nüsse knackt und hilft, wenn es noch nicht klappen will.
Wie die Wissenschaftler herausgefunden haben, knacken die erwachsenen Weibchen erfolgreicher Nüsse als die Männchen. Das gilt sowohl in Bezug auf die Zahl der Schläge, die sie benötigen, als auch auf die Menge der geknackten Nüsse. Die Weibchen benutzen auch regelmäßig die schwierigsten Nussknack-Techniken. Sie öffnen beispielsweise geschickt die extrem harten Panda-Nüsse, oder sie klettern mitsamt Werkzeug auf einen Coulanuss-Baum, um die Nüsse gleich nach der Ernte in luftiger Höhe zu knacken.
Stöckchenangel schützt vor Ameisen-Bissen
Schimpansen nutzen aber auch Werkzeuge, um eine weitere Lieblingsnahrung zu fangen: die nahrhaften Treiberameisen: Sie brechen dazu einen Zweig ab, kürzen ihn auf die richtige Länge und halten ihn direkt in den Ameisenbau. Einige der Soldaten verbeißen sich am Stöckchen und werden dann von den Taï-Schimpansen direkt in den Mund befördert. Je nachdem, ob es sich bei den Ameisen um eine aggressive oder weniger aggressive Art handelt, verwenden die Tiere unterschiedliche Techniken:
Bei schnellen und wehrhaften Ameisen benutzen die Schimpansen im Taï-Wald längere Stöckchen zum Schutz vor schmerzhaften Bissen. Bei weniger angriffslustigen Arten werden die Larven und Eier direkt mit den Händen aus dem Bau genommen. Bei der Art und Weise, wie Schimpansen Ameisen angeln, gibt es kulturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Populationen. So fangen und verzehren Schimpansen der Elfenbeinküste und ihre Artgenossen im benachbarten Guinea die gleichen Ameisenarten auf unterschiedliche Weise. Die Techniken variieren zum Beispiel in den Längen der verwendeten Stöckchen.
Honig-Sammeln mit Multifunktions-Werkzeugen
Eine besonders komplexe Form des Werkzeuggebrauchs haben Boesch und seine Kollegen im Loango-Nationalpark in Gabun beobachtet. Die hier lebenden Schimpansen benutzen nacheinander drei bis fünf verschiedene Werkzeuge, um an Honig zu gelangen. Bei Bienennestern im Baum, die nicht direkt zugänglich sind, verwenden sie dicke, stumpfe Stöcke, um den Nesteingang aufzubrechen und dünnere, um die Kammern im Bienennest zu öffnen. Anschließend tauchen sie ein am Ende ausgefranstes Stöckchen in den Honig, oder sie schöpfen ihn mit einem breiten Rindenstück wie mit einem Löffel heraus. Sogar Multifunktions-Werkzeuge mit einem glatten und einem ausgefransten Ende kommen zum Einsatz.
Schimpansen machen auch die Nester unterirdisch lebender Bienen ausfindig. Dazu stochern sie neben einer an der Oberfläche mündenden Eingangsröhre mit einem langen, geraden Stock im Boden, bis sie auf die verschachtelten Kammern stoßen. Um die nicht sichtbare Honigquelle zu nutzen, sind komplexe geistige Fähigkeiten notwendig. Diese Form von sequentiellem Werkzeuggebrauch ist mit einigen Techniken der Menschen in der frühen und mittleren Steinzeit vergleichbar.
Elke Maier / Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Stand: 03.05.2013