Ein Dorf irgendwo in der Altmark, einer Region im Norden Sachsen-Anhalts. Sein Name tut nichts zur Sache, denn mit dem Navi ist es ohnehin nicht zu finden – wo eigentlich das Dorf sein sollte, zeigt die Karte: nichts. Auch im Dorf selbst herrscht Leere. Jedes zweite Haus ist verlassen, der Dorfkrug verrammelt, ebenso der frühere Konsum. Zehn Kilometer müssen die Bewohner fahren, um einzukaufen, der nächste Arzt praktiziert in der Kreisstadt.
Noch hält einmal werktags ein Bus, um die Bewohner mitzunehmen: der Schulbus. Der öffentliche Personennahverkehr wurde schon vor Jahren eingestellt. Doch wie lange der Schulbus noch kommen wird, ist unklar. Schon bald wird es hier keine Kinder mehr geben. Ihre Familien ziehen weg, weil sie im Dorf keine Zukunft mehr sehen. Zurück bleiben jene, die ihre Häuser nicht aufgeben wollen oder sich das nicht leisten können. Meist sind es die Älteren und Alten.
Neue Flucht aus dem Osten
Das Dorf ist erfunden, dennoch sind die beschriebenen Probleme vielerorts real. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt gibt es schon heute Regionen, in denen deutlich unter 40 Einwohner je Quadratkilometer leben. Im deutschen Durchschnitt sind es 229. In den ländlichsten Regionen Ostdeutschlands, der Altmark, dem Fläming, der Uckermark, Vorpommern oder Mecklenburg-Strelitz, vollzieht sich die demografische Entwicklung in hohem Tempo.
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Während die Geburtenrate in der gesamten Republik auf niedrigstem Niveau stagniert und die Lebenserwartung bundesweit steigt, verschärft in Landstrichen wie der Altmark ein weiteres Problem die Dynamik des demografischen Wandels: Schon seit den 1960er Jahren wandern viele Menschen von dort ab, eine Entwicklung, die seit der Wende beschleunigt verläuft, während Zuzüge fast vollständig ausbleiben.
„Vor allem junge und gut qualifizierte Frauen verlassen die betreffenden Regionen“, sagt Wolfgang Weiß vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO). Selektive Abwanderung nennen Demografen dieses Phänomen. „Übrig bleiben die Alten und Geringqualifizierten – es entsteht ein einzigartiger Überschuss jüngerer Männer.“
Wiebke Peters / Leibniz Journal
Stand: 15.03.2013