Dass die Größe der Fischbestände schwankt, liegt nicht nur an der Fischerei. Auch die Veränderung von Umweltbedingungen beeinflusst die Bestände. In kaltem salzigem Wasser produzieren beispielsweise Ostsee-Dorsche mehr Nachwuchs als in warmem Wasser mit geringerem Salzgehalt. Andererseits werden die Tiere in kaltem Wasser später geschlechtsreif. Wassertemperaturen und andere Umweltbedingungen aber schwanken in vielen Meeresgebieten im Laufe der Zeit. Auslöser sind oftmals natürliche Klimazyklen, die zu regelmäßigen Veränderungen von Winden oder Meeresströmungen führen.
Ein Beispiel ist die Nordatlantische Oszillation (NAO), die das Klima über Teilen Europas und Nordamerikas beeinflusst. Die NAO ist eine Schwankung der Luftdruckverhältnisse über dem Nordatlantik zwischen dem Azorenhoch und dem Islandtief. Sie beeinflusst unter anderem das Winterwetter in Europa und schwankt in einem 10-Jahres-Rhythmus. Mit dem Luftdruck schwanken im Nordatlantik auch die Wind- und oberflächen-nahen Meeresströmungen.
Pazifik: El Niño verändert Fischbestände
Im Pazifik wiederum wirkt das Klimaphänomen El Niño. Es ändert die Strömungsrichtung in Auftriebsgebieten – in diesem Fall zwischen der Westküste Südamerikas und Indonesien. Vor Chile und Peru befindet sich ein großes Auftriebsgebiet, es ist Teil einer mächtigen Meeresströmung, des Humboldtstroms. Dieser führt kaltes Wasser aus der Antarktis parallel zur südamerikanischen Westküste nach Norden. Wie vor Südwest-Afrika steigen hier nährstoffreiche, kalte Wasser auf.
Motor dieses Auftriebs sind regelmäßige Passatwinde, die das warme Oberflächenwasser von Südamerika nach Westen, Richtung Australien und Indonesien, treiben. Die südamerikanischen Gewässer gehören zu den fischreichsten der Erde. Rund 15 bis 19 Prozent des weltweit gefangenen Fischs stammen von hier, vor allem kleine Arten wie etwa Sardinen und Sardellen. Darüber hinaus finden sich hier größere Stachelmakrelen sowie schnell wandernde Arten wie etwa Haie oder Thunfische.
In El-Niño-Jahren aber lassen die nach Westen wehenden Passatwinde nach. Zum Teil kehren sie sich um. Damit ändert sich auch die Strömungsrichtung des Wassers. Dann fließt warmes, nährstoffarmes Oberflächenwasser vom Westpazifik Richtung Peru. Unter diesen Bedingungen kann sich vor der Küste Perus kaum noch Plankton entwickeln. Die Nahrung der planktivoren Fische bleibt aus. Die Bestände brechen zusammen. Davon betroffen sind selbst die großen Raubfische und Vögel, aber auch Säugetiere wie etwa Robben, für die der Fisch Hauptnahrungsquelle ist. In El-Niño-Jahren ziehen sie oft weniger Jungtiere auf. Die Lebensbedingungen der Fische ändern sich also mehr oder weniger regelmäßig. Dadurch können sowohl die Größe eines Bestands als auch seine Ausdehnung beeinflusst werden.
Ostsee: Salzwasser-Einstrom hilft Dorschen
Der Dorschbestand in der östlichen Ostsee etwa ist stark von Salzwassereinbrüchen aus der Nordsee abhängig. Ein solch massiver Wassereinstrom findet nur alle paar Jahre bei bestimmten Wetterlagen statt. Er ist so stark, dass er die Darßer Schwelle vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns überwindet, eine Art Untiefe. Das schwerere salzige Nordseewasser kann diese Schwelle normalerweise nicht überströmen.
Während der massiven Salzwassereinbrüche aber fließt das Nordseewasser am Grund der Ostsee in großen Mengen über die Schwelle hinweg bis in die Danziger Bucht und weiter in das Gotlandbecken zwischen Lettland und Schweden. Ein solcher Salzwassereinbruch ist wichtig, denn er bringt mit dem salzreichen, meist kalten Wasser lebenswichtigen Sauerstoff in die Tiefe, wo die Dorsche laichen. Bleibt der Einstrom lange Zeit aus, verschlechtern sich die Laichbedingungen.
Darüber hinaus weiß man heute, dass offenbar auch langjährige Klimaschwankungen den Dorschbestand im Ostatlantik, in der Nordsee und der Ostsee beeinflussen. In den 1980er Jahren etwa wuchsen die Bestände der Dorschartigen, der Gadoiden, in diesen Regionen stark an. Welche Umweltbedingungen zu diesem „Gadoid Outburst“ geführt haben, ist bis heute unklar. Es gibt mehrere Hypothesen. Möglicherweise boten die kalten Winter in den 1960er und 1970er Jahren ideale Laichbedingungen. In den Folgejahren nahmen die Bestände dann, vermutlich nicht allein aufgrund der Fischerei, wieder ab. Grundsätzlich gilt also: Wenn ein Bestand zusammenbricht, kommt meist beides zusammen – ein hoher Fischereidruck und veränderte Umweltbedingungen.
World Ocean Review 2
Stand: 01.03.2013