Schon heute lebt mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Weltbevölkerung in Städten – und die Urbanisierung nimmt weiter zu. Experten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwarten, dass im Jahr 2050 zwei Drittel aller Menschen in Städten wohnen und arbeiten – insgesamt etwa 6,4 Milliarden Männer, Frauen und Kinder. Doch das Wachstum ist teuer erkauft.
Megacities verbrauchen Unmengen an Energie und Rohstoffen. Obwohl Städte heute nur knapp drei Prozent der Erdoberfläche ausmachen, verbrauchen sie schon jetzt – laut einer von Siemens in Auftrag gegebenen Studie – zwei Drittel der weltweit genutzten Energie und 60 Prozent des vorhandenen Trinkwassers. Auf der anderen Seite produzieren Großstädte Massen an Schadstoffen, Abwasser, Müll und Treibhausgasen. Metropolen sind für knapp 80 Prozent aller Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Und um die Städter mit Wasser und Essen zu versorgen, werden riesige Flächen benötigt: London braucht dafür 125 Mal die Fläche seines Stadtgebiets, hat der britische Umweltberater Fred Pearce im „New Scientist“ vorgerechnet.
Suche nach machbaren Lösungen
Doch kann man diesen Fehlentwicklungen entgegenwirken? Wie lässt es sich künftig in Städten nachhaltig leben und arbeiten? Wie kann man die Städter mit Energie, Trinkwasser und Essen versorgen? Wie entsorgt man Abwasser und Müll? Ist es möglich, schädliche Abgase und Lärm zu vermeiden? Damit man diese vielfältigen Herausforderungen meistern und Technologien für umweltfreundliche Städte entwickeln kann, ist auch die Wissenschaft gefragt. Schon im vergangenen Jahr haben sich deshalb mehr als ein Dutzend Fraunhofer-Institute in der Fraunhofer-Initiative Morgenstadt zusammengeschlossen.
Eine besondere Herausforderung ist es bei solchen Planungen, kurzfristige Innovationszyklen – wie bei den Informations-und Kommunikationstechnologien – mit langfristigen zu synchronisieren – etwa bei Gebäuden oder Verkehrsinfrastrukturen. Denn während zum Beispiel Server oder Software-Systeme bereits nach wenigen Jahren erneuert werden, stehen Gebäude meist mehr als 50 Jahre; Straßen und Abwasserinfrastrukturen sind sogar 80 Jahre und länger im Dienst.
„Daher hat die Initiative Morgenstadt ein strategisches Handlungsmodell entwickelt, das auf einem systemischen Ansatz beruht und die jeweiligen Schlüsseltechnologien adressiert“, erläutert Dieter Spath, der die Morgenstadt-Initiative koordiniert und das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart leitet. Die Wissenschaftler konzentrieren sich dabei auf die Bereiche Energie, Gebäude, Produktion und Logistik, Verkehr und Mobilität, Information und Kommunikation, urbane Prozesse und Organisation sowie Sicherheit und Schutz. „In vielen Fällen ist das technologische Know-how für die Stadt der Zukunft bereits vorhanden“, weiß Wilhelm Bauer, stellvertretender Institutsleiter des IAO. Allerdings müssen die Konzepte und Technologien an die Verhältnisse der jeweiligen Länder und Regionen angepasst werden.
Birgit Niesing / Fraunhofer Magazin
Stand: 14.02.2013