Marie Curie – den Namen dieser polnisch-stämmigen Physikerin hat wohl jeder zumindest einmal gehört. Mit zwei Nobelpreisen ist sie nicht nur unter den weiblichen Wissenschaftlerinnen eine Ausnahme, sondern auch unter den männlichen eine Besonderheit. Die Physikerin teilte sich ihren ersten Nobelpreis mit ihrem Mann Pierre und Henri Becquerel, womit sie einen der beiden einzigen jemals an Frauen verliehenen Nobelpreise der Physik erntete. Ihren zweiten erhielt sie im Fach Chemie. Auch diese Ehrung wurde seit 1901 nur äußerst selten – nämlich genau vier Mal – an weibliche Wissenschaftlerinnen verliehen. Einen davon bekam Curies Tochter Irène Joliot-Curie 24 Jahre nach ihrer Mutter.
Bis jetzt sind die Curies damit das einzige Mutter-Tochter-Gespann, das das Nobelpreis-Komitee von seinem Verdienst für die Forschung überzeugen konnte. Bei den Männern blieb der renommierte Preis bereits sechs Mal in der Familie. Auch die absoluten Zahlen sind interessant: so bekamen gegenüber 297 Männern bisher nur 16 Frauen einen naturwissenschaftlichen Nobelpreis. Den Rest der insgesamt 43 Nobelpreiseverleihungen an Frauen erfolgte für Literatur oder Frieden. Damit gingen insgesamt nur fünf Prozent der von der schwedischen Akademie vergebenen Ehrungen an das weibliche Geschlecht.
Lise Meitner und das Uran
Eines der Beispiele für zu Unrecht beim Nobelpreis übergangene Forscherinnen kommt aus dem deutschsprachigen Raum: Lise Meitner. Die jüdisch-österreichische Wissenschaftlerin war eine Generation jünger als ihr weibliches Vorbild Curie, die sie auch in einem Brief kontaktierte. Gern hätte sie bei ihr gearbeitete. Im Pariser Laboratorium war jedoch kein Platz für die junge Meitner und so begab sie sich nach Berlin an die Universität, wo sie Vorlesungen von Max Planck besuchte und ihren langjährigen Forschungspartner Otto Hahn kennenlernte. Bis zur Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und ihrer dortigen offiziellen Anstellung arbeitete sie, wie auch Hahn, unbezahlt und musste das Universitätsgebäude sogar durch den Hintereingang betreten, da Frauen in Preußen offiziell erst ab 1909 studieren durften. Die beiden machten ihre ersten Experimente zur Radioaktivität in einem Kellerraum des chemischen Institutes der Universität – einer ehemaligen Holzwerkstatt.
Die Beschreibung der von Otto Hahn 1938 in Berlin entdeckten Uranspaltung und die Berechnung der bei der Reaktion freiwerdenden Energie, gehört zu Meitners bekanntesten, allerdings nicht zu ihren einzigen wichtigen Beiträgen zur Physik. Hahn hatte ihr in einem Brief seine Beobachtungen anvertraut und beschrieb das später als Kernspaltung bezeichnete Phänomen als „Zerplatzen“ der Atome: „Wäre es möglich, dass das Uran 239 zerplatzt in ein Barium und ein Magnesium? Es würde mich natürlich sehr interessieren, Dein Urteil zu hören. Eventuell könntest du etwas ausrechnen und publizieren“, schrieb Hahn. Daraufhin machte sich die Physikerin an ihrem Exilarbeitsplatz, dem schwedischen Nobel-Institut, gemeinsam mit Otto Frisch, ihrem Neffen, an die erste physikalische Beschreibung des Phänomens. Beide veröffentlichten schließlich den Artikel: „Disintegration of Uranium by Neutrons: a New Type of Nuclear Reaction“.
„…nicht Unwesentliches zur Aufklärung beigetragen“
Später erhielt Hahn allein den Chemie-Nobelpreis für „Die Entdeckung der Kernspaltung von Atomen“. Meitner kommentierte das Ereignis in einem Brief an eine Freundin so: „Hahn hat sicher den Nobelpreis für Chemie voll verdient, da ist wirklich kein Zweifel. Aber ich glaube, dass Frisch und ich etwas nicht Unwesentliches zur Aufklärung des Uranspaltungsprozesses beigetragen haben – wie er zustande kommt und dass er mit einer so großen Energieentwicklung verbunden ist, lag Hahn ganz fern.“
Meitner sollte bis zu ihrem Tod der Physik verschrieben bleiben und leistete dabei Wichtiges auf dem Gebiet der Radioaktivität, was ihr auch die persönliche Bekanntschaft von Marie Curie und Albert Einstein einbrachte. Gemeinsam mit Otto Hahn entdeckte sie etwa mit Hilfe der Rückstoßmethode mehrere Radioaktive Elemente. Außerdem erweiterte sie unser Wissen über das Wesen der Radioaktivität und der Beschaffenheit von Atomkernen, sowie deren Energiefreisetzung beim Zerfall. Dabei betrachtete sie die Nutzung für Kriegszwecke stets kritisch.
Den Nobelpreis hat Meitner zwar auch im Nachhinein nie erhalten. Aber immerhin gab es eine kleine, wenn auch späte, Anerkennung: Bis 2010 hieß das heutige biochemische Institut der Freien Universität Berlin – ihr Wirkungsort – Otto-Hahn-Bau. Dann taufte man es in Hahn-Meitner-Bau um. Eine Tafel erinnert heute die Studenten an die Arbeit der beiden Forscher.
Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012