Technik

Das Schiff

Ein Ozeanriese auf Jungfernfahrt

Leseraum der ersten Klasse auf dem A-Deck der Titanic © historische Aufnahme

Freitag, 12. April 1912, zwei Tage auf See sind vergangen. Weit und breit ist keine Küste mehr zu sehen, der Nordatlantik liegt stahlblau unter der strahlenden Sonne. Während die RMS Titanic den längsten Abschnitt ihrer Überfahrt vom britischen Southampton nach New York beginnt, haben die rund 1.300 Passagiere ihr erstes Staunen über die prachtvolle Einrichtung des Schiffes bereits überwunden und beginnen, das Leben an Bord zu genießen. Sie fühlen sich privilegiert, sind sie doch Teil einer ganz besonderen Reise: Die Jungfernfahrt des modernsten und größten Luxusdampfers, der jemals die Meere befuhr.

Das 296 Meter lange Schiff der Reederei White Star Line ist – vor allem für die Passagiere der ersten Klasse – mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet: Vom beheizten Schwimmbad über Restaurants und Salons bis hin zu einer Squashanlage fehlt es an nichts. Aber selbst in der spartanischeren dritten Klasse gibt es auf der Titanic statt der sonst üblichen Schlafsäle immerhin Vier und Sechsbett-Kabinen – auch dies ein wahrer Luxus zur damaligen Zeit.

Portrait des Kapitäns der Titanic, Edward John Smith © historische Aufnahme

Entsprechend dem feierlichen Anlass ist auch die Besatzung des Schiffes ist handverlesen: Für die Jungfernfahrt hat die White Star Reederei ihre erfahrensten Offiziere zusammengestellt, darunter den leitenden Offizier Henry Wilde, den sie eigens für diese Fahrt vom Schwesterschiff der Titanic, der Olympic, abzieht. Der 62-jährige Kapitän, Edward John Smith, erhält das Kommando über den Luxusliner als krönenden Abschluss seiner Laufbahn – dass die Fahrt auf ganz andere Weise seine letzte sein wird, ahnt er nicht.

Wasserdichte Schotten als neuestes Wunder der Technik

Und in punkto Sicherheit gilt das Schiff geradezu als Wunder der Technik: Im Schiffsbauch befinden sich 15 wasserdichte Schotten, die bei Gefahr durch einen einzigen Knopfdruck von der Brücke aus automatisch geschlossen werden können. Diese Schotten liegen jeweils zwischen den sechs Kesselräumen, den im Bug und Heck liegenden Frachträumen und dem Maschinenraum.

Sollte das Schiff ein Leck bekommen, können diese schweren Stahlwände hydraulisch abgesenkt werden und so das Wasser am weiteren Vordringen hindern. Das Schiff würde dadurch auch dann noch schwimmen, so die Kalkulation der Konstrukteure, wenn bis zu vier der vorderen Abteilungen mit Wasser gefüllt wären. Doch diese Möglichkeit gilt ohnehin als reichlich unrealistisch – man rechnet allenfalls mit zwei überfluteten Abteilungen. Aufgrund dieser Konstruktion gilt die Titanic bereits vor ihrer Jungfernfahrt als „nahezu unsinkbar“.

Blick in den Funkraum der Titanic, der mit zwei sich abwechselnden Marconi-Angestellten besetzt war. © Marconi plc (Aufnahme von 1912)

Drahtlose Kommunikation per „Marconigramm“

Und noch eine neue Errungenschaft führt die Titanic mit sich: einen modernen Funkraum. Die Technik der drahtlosen Übertragung von Nachrichten mittels Morse-Signalen ist gerade erst ein paar Jahre alt. Längst nicht alle Schiffe haben bereits eine entsprechende Ausrüstung und geschulte Funker an Bord. Die Titanic gehört jedoch dazu. Ihr 5.000 Watt starker Transmitter hat je nach Wetterlage eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Die beiden Funker Jack Phillips und Harold Bride wechseln sich in Schichten ab und sorgen damit für einen Empfang rund um die Uhr. Sie sind nicht Angestellte der Reederei, sondern werden, wie damals noch üblich, direkt von der Marconi’s Wireless Telegraph Company bezahlt und gestellt – dem Unternehmen des Erfinders dieser drahtlosen Kommunikation, Guglielmo Marconi.

Noch allerdings beschäftigen sich die beiden Funker vor allem damit, private Mitteilungen von und für die Titanic-Passagiere zu übermitteln und zu empfangen: „Ich werde alles tun, um dich glücklich zu machen, ich liebe dich wahnsinnig“, lässt Jules Brutalom aus New York am 12. April 1912 seine Angebetete auf der Titanic wissen, die 22-jährige Passagierin der ersten Klasse Dorothy Gibson. Am gleichen Tag schickt die Reederei White Star Line auch dem Kapitän des Schiffes ein „Marconigramm“: „Wir erwarten 30 Reporter zum Lunch oder Dinner an Bord – ja nach Ankunftszeit des Dampfers – bitte instruieren sie den Chefsteward entsprechend.“

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Nadja Podbregar
Stand: 12.04.2012

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Titanic: Untergang eines Mythos
Spurensuche hundert Jahre nach der Katastrophe

Das Schiff
Ein Ozeanriese auf Jungfernfahrt

Die Warnungen
Auf dem Weg in die vermeidbare Katastrophe

Die Kollision
Eiskoloss gegen Ozeanriese

Wasser im Bauch
Die ersten Minuten nach der Kollision

Das Ende
Die letzten Minuten der Titanic

Spurensuche
Wie konnte das passieren?

Eingebauter Schwachpunkt
Sparen am falschen Ort: die Eisennieten

Höhere Mächte
Sonne, Mond und Klima standen gegen die Titanic

Lehren aus der Katastrophe
Wäre eine Tragödie wie bei der Titanic heute noch möglich?

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