Der menschliche Körper besteht aus ungefähr 10 bis 100 Billionen Zellen. In und auf uns tragen wir jedoch etwa zehnmal so viele Bakterienzellen mit uns herum. Allein in unserem Darm leben nach Schätzungen von Forschern rund 100 Billionen Bakterien aus bis zu 2.000 unterschiedlichen Arten. Diese vielfältige Lebensgemeinschaft umfasst bereits zehn- bis hundertmal mehr Gene als im gesamten menschlichen Erbgut vorhanden sind.
Zu den Darmbakterien kommen noch unzählige Bewohner unserer Haut und anderer Gewebe hinzu. Die Gesamtheit der Mikroorganismen, die in und auf dem menschlichen Körper leben, wird auch als Mikrobiom bezeichnet. Würde man einen Menschen mitsamt dieses Mikrobioms genetisch analysieren, wäre er nur zu etwa 10 Prozent „menschlich“.
Frühere Studien haben gezeigt, dass das Mikrobiom viele Aspekte der menschlichen Gesundheit beeinflussen kann, wie etwa die Verdauung, die Anfälligkeit für Krankheiten oder aber die Neigung zu Fettsucht. Dieses Wissen um die große Bedeutung unserer bakteriellen Mitbewohner hat in letzter Zeit zu vielen Bemühungen geführt, das menschliche Mikrobiom detaillierter zu beschreiben.
Mitbewohner als Fenster in die Vergangenheit
Für Molekularanthropologen ist unser Mikrobiom jedoch noch aus einem anderen Grund interessant: Die Bakterien helfen ihnen dabei, die Geschichte der menschlichen Bevölkerungsgruppen und ihrer Wanderungsbewegungen zu rekonstruieren. Die Forscher untersuchen dafür die genetische Variation bei heute lebenden Menschengruppen und versuchen, daraus Rückschlüsse auf ihre Vergangenheit zu ziehen.
Wenn Menschen von einem Ort zum anderen wandern, nehmen sie jedoch nicht nur ihre Gene mit, sondern auch ihre Bakterien. Somit können die Wissenschaftler durch das Studium der genetischen Variation der Bakterien, die mit den Menschen leben, auch zusätzliche Erkenntnisse über frühere Wanderungsbewegungen der Menschen gewinnen.
Mark Stoneking, MPI für evolutionäre Anthrolopologie / Redaktion scinexx
Stand: 28.10.2011