Ein Beispiel für „mitwandernde Bakterien“ des Menschen ist das Bakterium Helicobacter pylori. Diese Mikrobe lebt im Magen und kann dort Magengeschwüre verursachen. Weil sie seit langer Zeit an den Menschen angepasst ist, verbreitete sie sich gemeinsam mit ihm. Trennten sich unsere Vorfahren auf, beispielsweise um ein neues Gebiet zu besiedeln, nahmen sie auch das Bakterium mit. In der neuen Umgebung entwickelten sich dann Mensch und Mikrobe anders als die Zurückgebliebenen. Aus diesen genetischen Unterschieden können Forscher heute darauf schließen, wann sich die Abspaltung ereignete. Dadurch können sie anhand der Bakterien Wanderungsbewegungen und Abstammungslinien des Menschen rekonstruieren
Pazifikregion wurde in zwei Wellen besiedelt
So belegte eine internationale Forschergruppe 2009 in „Science“, dass die Pazifikregion durch mindestens zwei verschiedene Einwanderungswellen besiedelt worden ist. Die genauen Wege ermittelten sie durch Genvergleiche von Helicobacter pylori-Stämmen aus Menschen verschiedener Pazifikregionen. Das Ergebnis: Erst kamen vor 31.000 bis 37.000 Jahren Asiaten über eine damals existierende Landbrücke nach Neuguinea und Australien. Dann, vor 5.000 Jahren folgte eine zweite Besiedelung durch Menschen aus Taiwan, die sich bis auf die Philippinen und nach Neuseeland ausbreiteten.
Mongolen und Sufi-Meister
Die Analyse der Magenbakterien kann aber auch dazu beitragen, Unterschiede zwischen zusammenlebenden, nahe verwandten Populationen des Menschen zu zeigen. So leben in der Region Ladakh in Nordindien etwa zur Hälfte Moslems und Buddhisten. Diese beiden Gruppen unterschieden sich nicht nur in ihrer Religion, sie stammen auch von unterschiedlichen Vorfahren ab. Das fand eine Forschergruppe 2004 mittels Genvergleichen ihrer Helicobacter pylori-Stämme heraus. Demnach sind die meisten Buddhisten dieser Region Nachkommen von Mongolen, die einst aus dem Himalaya-Gebiet im Norden einwanderten. Die meisten muslimischen Bewohner Ladakhs stammen dagegen von Sufi-Meistern aus Pakistan ab, die nach dem 14. Jahrhundert nach Ladakh kamen.
Weil Bakterien eine schnellere molekulare Evolutionsrate haben als der Mensch, eignen sie sich besonders gut dazu, auch solche relativ kurzfristigen Populationsveränderungen nachzuvollziehen. Analysen des Mikrobioms können daher nicht nur Studien zur menschlichen genetischen Diversität bestätigen, sondern können sogar noch informativer sein. Dies trifft vor allem auf rezente Migrationen und andere Ereignisse zu, bei denen nicht ausreichend Zeit für eine genetische Differenzierung in menschlichen Populationen gegeben war.
Mark Stoneking, MPI für evolutionäre Anthrolopologie / Redaktion scinexx
Stand: 28.10.2011