Bei aller Faszination, die Feynmans Vision des alles Wissen der Welt enthaltenden Staubkorns ausübt: Kleinheit ist nicht alles. Die moderne Datenflut verlangt auch nach schnellem Speichern und schnellem Zugriff. Es geht um „Dynamik“, wie Forscher sagen, also um die Frage: Wie schnell lässt sich von der Null auf die Eins umschalten? Das Schreiben und das Lesen sollten noch dazu möglichst wenig Leistung benötigen und auf dem engen Raum und in den kurzen Zeiten technisch beherrschbar sein.
Auch beim Tempo können magnetische Nanostrukturen punkten. Grundlegende Fragen zur schnellen Dynamik magnetischer Nanostrukturen erforscht unter der Leitung von Gisela Schütz ein Team um Hermann Stoll am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart. Die Forscher untersuchen seit einigen Jahren die magnetischen Eigenschaften von ferromagnetischen Plättchen aus einer Legierung von Nickel und Eisen, dem sogenannten Permalloy.
Permalloy-Plättchen zeigen magnetisches Phänomen
Wegen ihrer fliesenähnlichen Form und ihrer winzigen Abmessungen von etwa einem tausendstel Millimeter Kantenlänge und rund 50 Nanometer Dicke zeigen die Permalloy-Plättchen ein bemerkenswertes magnetisches Phänomen. Die magnetischen Momente der Metallatome ordnen sich darin nicht parallel oder antiparallel an, sondern bilden, ähnlich einer Zielscheibe, konzentrische Ringe, sogenannte Wirbel oder auf Englisch Vortices.
In der Mitte der Wirbelstruktur fehlt für einen Kreis der Platz. Wie sich die magnetischen Momente hier organisieren, lässt sich mit dem Versuch veranschaulichen, konzentrische Kreise aus Streichhölzern auf eine Tischplatte zu legen. In der Mitte geht das nicht, weil die Hölzer zu lang sind. Sie lassen sich dennoch unterbringen, wenn man sie aus der Ebene herausdreht und eine nach oben zeigende Nadel aus ihnen bildet. Entsprechend drehen sich die magnetischen Momente in der Mitte des Permalloy-Plättchens aus der Ebene heraus und bilden eine Magnetfeldnadel mit nur etwa 20 Nanometern Durchmesser, einen sogenannten Vortexkern.
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Magnetfeldpulse schalten Vortexkerne schnell
Weil die Vortexkerne nach oben oder nach unten aus den beiden Flachseiten der Plättchen herausragen können, vermögen sie prinzipiell ein Bit zu speichern. Doch es gibt ein Problem: „Die Nadel lässt sich zwar durch ein äußeres Magnetfeld um 180 Grad drehen“, sagt Stoll. Dieses müsse aber rund 0,5 Tesla stark sein, also nur etwa dreimal schwächer als die stärksten Dauermagneten. Für Datenspeicher schienen die Vortexkerne deshalb ungeeignet − sie wären zwar attraktiv wegen ihrer Stabilität gegenüber äußeren Magnetfeldern und auch gegen hohe Temperaturen, ließen sich aber nur schwer umschalten.
Schon 2006 fanden die Stuttgarter Forscher jedoch eine Möglichkeit, die sonst so stabilen Vortexkerne mithilfe von Magnetfeldpulsen von nur 1,5 tausendstel Tesla Stärke gezielt zu schalten. Sie arbeiteten dabei mit Kollegen aus Regensburg, Bielefeld, dem belgischen Gent und dem kalifornischen Berkeley zusammen. Die Wissenschaftler richteten einen äußerst kurzen Magnetfeldpuls von nur vier Nanosekunden Dauer, das sind vier milliardstel Sekunden, auf das Plättchen. Die Magnetfeldlinien des Pulses verliefen dabei parallel statt senkrecht zu dem Plättchen.
Vortexkerne für die Datenspeicherung geeignet
Das Ergebnis erstaunte die Forscher: Diese schwachen Magnetpulse, die nur eine äußerst geringe Leistung benötigen, schalteten den Vortexkern verlässlich um. Die Erklärung dafür lieferten die Wissenschaftler damals gleich mit: Grob gesagt, erzeugt der kurze Magnetfeldpuls zwei weitere Magnetfeldnadeln, ein Vortex-Antivortex-Paar, die beide entgegen der ursprünglichen gerichtet sind.
Eine der neu gebildeten Nadeln, der Antivortex, verschmilzt mit dem ursprünglichen Vortexkern, wobei sich die beiden gegenseitig auslöschen. Am Ende bleibt nur die zweite der beiden zusätzlichen Magnetnadeln übrig und bildet einen neuen Vortexkern − und der zeigt in die entgegengesetzte Richtung des ursprünglichen Vortexkerns. Erst diese Entdeckung empfahl Vortexkerne für die Datenspeicherung, da sie nun mit kleinen und kurzen Magnetfeldimpulsen geschaltet werden können. Dabei bleiben sie weiterhin sehr stabil gegenüber äußeren statischen Magnetfeldern.
„Die Entdeckung hat das Forschungsfeld stark belebt“, sagt Gisela Schütz. Die Publikation aus dem Jahr 2006 sei inzwischen fast 200-mal zitiert und das erste Experiment und die Erklärung dafür auf vielfältige Weise bestätigt worden.
Christian Meier / MaxPlanckForschung
Stand: 19.10.2011