Um bei den Weibchen zum Zuge zu kommen, zeigen Ameisenigel-Männchen viel Geduld und Ausdauer. Das ist schon seit längerem bekannt. Rätsel gab den Wissenschaftlern bis vor einigen Jahren jedoch noch der eigentliche Geschlechtsakt auf. Das Kuriose daran: Die männlichen Ameisenigel besitzen einen Penis mit vier Spitzen, das Weibchen aber nur einen Fortpflanzungstrakt mit zwei Eingängen. Wie konnte und sollte das funktionieren? Die Forscher hatten keine schlüssige Erklärung parat – bis zum Jahr 2007.
Forscher filmen Erektion und Samenerguss
Denn da lüfteten Wissenschaftler um Steve Johnston von der Universität von Queensland in Gatton auch dieses Geheimnis. Die Lösung lieferte ein Männchen, das aus einem Zoo verbannt wurde, weil es bei Vorführungen häufig durch eine Dauererektion aufgefallen war. Dieses filmten die Wissenschaftler ausgiebig und kamen so erstmals der Erektion und dem Samenerguss der Ameisenigel auf die Spur.
„Wenn wir früher Samenflüssigkeit mithilfe der Elektrostimulation sammeln wollten, bekamen wir keinen einzigen Tropfen zusammen“, sagt Johnston. „Der gesamte Penis schwoll zu einem vierköpfigen Monster an, der nicht in den Geschlechtstrakt mit seinen zwei Ästen passen konnte. Nun wissen wir, dass während einer normalen Erektion zwei Köpfe stillgelegt werden und die anderen beiden passen dann.“ Beim nächsten Mal, wenn der Ameisenigel Sex hat, wird einfach getauscht und die beiden anderen Köpfe kommen zum Einsatz, so die Forscher.
Reptilien als Gleichgesinnte
Sie haben mit der Enthüllung des Sexlebens einen weiteren wichtigen Beleg für reptilienähnliche Verhaltensweisen bei den Ameisenigeln gefunden. Denn der Geschlechtsakt der Kloakentiere erinnert stark daran, wie die Paarung bei Eidechsen oder Schlangen abläuft. Letztere besitzen zwar nur einen „doppelten“ Penis – auch Hemipenis genannt – doch nur einer davon wird jeweils bei der Kopulation verwendet. Der andere hat Pause und muss auf das nächste Weibchen und die nächste Begattung warten.
Die evolutionäre Bedeutung der nur halbseitigen Ejakulation bei den Schnabeltieren und Reptilien ist nach Angaben der Wissenschaftler noch weitgehend unklar. Johnston und seine Kollegen vermuten jedoch, dass dieses Phänomen eine wichtige Rolle bei der Konkurrenz der Spermien um die Befruchtung des Eis spielen könnte – vor allem, wenn sich das Weibchen nacheinander mit vielen verschiedenen Männchen paart.
Gestützt wird diese Theorie durch eine Studie aus den 1980er Jahren. Darin hatten Forscher um Russell Jones von der University of Newcastle in New South Wales die Samenflüssigkeit toter Ameisenigel untersucht. Ergebnis: Darin waren „Bündel“ von über hundert Spermien enthalten. Diese schwammen nach Angaben der Wissenschaftler viel schneller als einzelne Samen. Auch dies stellt offenbar eine weitere Anpassung beim Wettlauf der Spermien dar.
Dieter Lohmann
Stand: 30.09.2011