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„Sich in die Sicherheitssysteme von Behörden, Firmen oder Labors einzuhacken, das ist heutzutage im Grunde viel zu aufwendig“, sagt Michael Backes vom Max-Planck-Institut für Softwaresysteme in Saarbrücken. Datenräuber sind deshalb kreativ und erfinden neue Spionagewerkzeuge. Und Backes tut das auch. „Wie klaut man geheime Patientendaten?“, fragte er sich vor einiger Zeit und landete damit den Spionagecoup 2009. „Nicht unbedingt, indem man versucht, die Datenleitung anzuzapfen.“ Seine Mitarbeiter und er grübelten eine Weile in großer Runde im Büro: Druckergeräusche, das war’s.
Lärm verrät gedruckte Texte
Ärzte sind verpflichtet, Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente mit Nadeldruckern auszustellen, weil sich damit, anders als bei Tintenstrahldruckern, Durchschläge machen lassen. Die Saarbrücker überlegten, ob man aus dem Druckerlärm, der seit Jahrzehnten gänzlich ungefiltert aus den Nadeldruckern quillt, auf die gedruckten Worte schließen könnte. Zunächst versuchten die Forscher in dem Geräuschbrei einzelne Buchstaben zu erkennen, doch die verschmierten im Lärm.
Dann verlegten sie sich darauf, Texte wortweise zu erlauschen. Zuerst ließen sie einen Nadeldrucker einzelne Wörter ausdrucken, nahmen den Klang auf und lernten damit ein Lautanalyseprogramm an. Danach spielten sie dem Computer kleine Texte zu verschiedenen Themen vor – einen Artikel aus Wikipedia über Computertechnik, einen über Barack Obama und einen über Architektur. Und wirklich: Der Rechner erkannte 65 bis 70 Prozent der Wörter richtig. Das reichte, um den Textinhalt zu verstehen.
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Lauterkennungssoftware im Einsatz
Anschließend folgte der Praxiseinsatz. Backes fragte in einer Saarbrücker Praxis an, montierte ein kleines Funkmikrofon unter dem Drucker und setzte sich mit einem Laptop ins Wartezimmer. Wann immer der Drucker lärmte, schnitt das Notebook den akustischen Schwall mit. Trotz der Hintergrundgeräusche, Unterhaltungen am Tresen oder Telefongespräche, sezierte die Lauterkennungssoftware anschließend säuberlich Wörter und Zahlen aus dem Klangteppich – selbst Abkürzungen wie „Müllersche Tabletten bei Halsschm.“ erkannte sie einwandfrei.
Datenklau auf neuen Wegen, das ist es, was Backes reizt. Er wollte wissen, wie groß die Gefahr wirklich ist, und startete eine Umfrage bei Ärzten und auch bei Banken, denn dort werden Kontoauszüge und andere Dokumente ebenfalls noch immer mit Nadeldruckern ausgedruckt. „Die Ergebnisse haben uns selbst völlig überrascht: 60 Prozent aller Arztpraxen und 30 Prozent aller Banken setzen heute noch Nadeldrucker ein, und bisher schert sich niemand um die akustische Abstrahlung“, sagt der Informatiker.
Tim Schröder / MaxPlanckForschung
Stand: 23.09.2011