Medizin

Interview: „Wir suchen den richtigen Gegenspieler“

Genforscher Stefan Mundlos über die Suche nach Ursachen und mögliche Ansatzstellen

Interview mit Professor Stefan Mundlos, der am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik und am Institut für Medizinische Genetik an der Charité Berlin arbeitet. Mit seinen Arbeitsteams erforscht er die Entstehung des Skeletts und die Entstehung seltener Skeletterkrankungen.

Professor Mundlos, was hat Ihre Arbeit als medizinischer Genetiker mit seltenen Erkrankungen zu tun?

Viele seltene Erkrankungen gehen auf einen genetischen Defekt zurück. Gene sind für bestimmte Entwicklungsschritte oder andere Körperfunktionen zuständig. Ist ein Gen mutiert, verläuft die Entwicklung nicht so wie sie soll. Das lässt sich am menschlichen Skelett gut untersuchen.

Sie suchen also nach mutierten Genen?

Uns interessiert dabei vor allem, zu welchem Zeitpunkt das mutierte Gen seine Wirkung entfaltet. Bei der Achondroplasie etwa, einer bestimmten Art des Kleinwuchses, ist ein Gen defekt, dass sich FGFR-3 nennt. Durch Forschung weiß man heute, dass durch die Mutation die Knorpelbildung in den langen Röhrenknochen gestört ist. Die Knorpelzellen teilen und differenzieren sich nicht richtig wodurch das Wachstum vor allem in den Armen und Beinen gestört ist. Als das verstanden wurde, konnte man beginnen, etwas gegen diese Störung zu entwickeln.

Lässt sich auch in anderen Fällen schon so klar benennen, welches Gen für die Störung verantwortlich ist?

Beim Marfan-Syndrom sorgt eine Mutation des Fibrillin-1-Gens für eine spezifische Störung des Bindegewebes, es ist fehlerhaft aufgebaut, und dadurch instabil. Außerdem ist die Speicherung von Wachstumsfaktoren gestört. Die Betroffenen sind oft ungewöhnlich groß, haben eine verformte Wirbelsäule und auch Herzfehler. Wir versuchen nun die richtigen Gegenspieler, so genannte Antagonisten zu finden, die diese Fehlentwicklung ausgleichen können.

Haben Sie, haben andere Wissenschaftler, schon wirksame Gegenspieler gefunden?

In einigen Fällen gibt es heute bereits Verfahren, die funktionieren, zum Beispiel werden beim Marfan Syndrom jetzt sogenannte Antagonisten (Gegenspieler) eines bestimmten Wachstumsfaktors (TGFß) erfolgreich eingesetzt, um die Herzproblematik zu behandeln.

Wie findet man das Gen, das für eine Mutation zuständig ist?

Mit modernen Methoden der Genanalyse lassen sich ganze Genome, also das Erbgut eines Lebewesens, untersuchen. Man testet dann nicht mehr ein oder zwei Abschnitte der menschlichen DNA, sondern gleich 20.000. Bioinformatiker helfen bei der Suche nach den Nadeln im Heuhaufen – also den Veränderungen, die Krankheiten verursachen. Wenn man diese hat, ist das ein wichtiger Schritt in Richtung Entwicklung entsprechender Therapien. Noch weiß man bei vielen seltenen Krankheiten zwar, welcher genetischer Defekt dafür verantwortlich ist, kann aber dennoch noch nichts daran ändern. Dass macht die Förderung der Forschung auf diesem Gebiet so wichtig.

Wenn es bei einer Erkrankung noch keine Therapie gibt, muss ich dann überhaupt wissen, woran ich leide?

Die Diagnosestellung an sich ist wesentlich. Die Unsicherheit der Betroffenen, dass ihnen gegenüber alle nur mit den Schultern zucken, ist dann vorbei. Das ist eine große Erleichterung für diese Menschen. Außerdem kann man meist etwas über den Verlauf der Krankheit sagen. Und auch für die zukünftige Familienplanung haben solche Erkenntnisse eine Auswirkung.

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Wissenschaftsjahr Gesundheitsforschung
Stand: 20.05.2011

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Seltene Krankheiten
Gibt es Hoffnung auf neue Therapien?

Wie selten ist selten?
Häufigkeit und Ursachen der Seltenen Krankheiten

„Wir konzentrieren uns auf das gegenwärtige Leben“
Vom Leben mit den Seltenen

Uninteressant für die Pharmaindustrie?
Zwischen Resignation und Hoffnung auf neue Therapien

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Genforscher Stefan Mundlos über die Suche nach Ursachen und mögliche Ansatzstellen

Von Akromegalie bis Progerie
Beispiele für Seltene Krankheiten

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