Sie sind zu klein, um sie mit bloßem Auge erkennen zu können und selbst unter dem Mikroskop kann man sie leicht übersehen. Aber sie sind viele und sie sind überall – die Winzlinge unter den Lebewesen, die Mikroorganismen. Forscher schätzen, dass es auf unserem Planeten mindestens genauso viele Bakterien wie pflanzliche Biomasse gibt, ein Großteil von ihnen in Lebensräumen, die extremer und lebensfeindlicher nicht sein könnten.
Die Extremisten unter ihnen überstehen selbst kochende Hitze, pH-Werte von tödlich-saurem pH-Null oder aber alkalischen pH 10, oder gedeihen problemlos selbst unter stärkster radioaktiver Strahlung. Einigen Tricks der Extremophilen ist man inzwischen auf die Schliche gekommen, doch viele der Mechanismen, mit denen sie sich schützen, sind noch immer nicht durchschaut. So hat man zwar bisher von einigen der Extremophilen die komplette Gensequenz entschlüsselt, von anderen fehlt aber selbst der grundlegendste Anhaltspunkt für Art und Ursprung ihrer Resistenz.
Und auch über die Ökologie dieser Extremisten unter den Mikroben ist bisher nur wenig bekannt. Spielen sie eine aktive Rolle in ihrem jeweiligen Ökosystem, oder überdauern sie nur passiv die extremen Bedingungen? Während das Leben der in den Tiefen des Antarktiseises eingefrorenen Bakterien nur an einem eher dünnen Faden hängt, scheinen die hitzeresistenten Bewohner der kochendheißen Quellen im Yellowstone Nationalpark ihr Leben in vollen Zügen zu genießen. Sie sind nicht nur quicklebendig, sondern vermehren sich auch eifrig. Und auch an den heißen, mit giftigen Schwermetallen angereicherten Schloten der Black Smoker wimmelt es vor Bakterien. Ganze Lebensgemeinschaften hängen hier vom Überleben der hitzestabilen und giftresistenten Mikroorganismen ab.
Rätselhaft sind auch nach wie vor die Ursprünge der resistenten Grenzgänger. Sind sie in Wahrheit die letzten Relikte der ersten Organismen überhaupt, eine Art lebende Fossilien der Mikrobenwelt? Und wenn ja, wo sind sie ursprünglich entstanden, in den Tiefen des Meeres oder gar im Inneren der Erde? Vielleicht stammen sie ja auch gar nicht von dieser Welt und sind, wie einige Wissenschaftler glauben, in Wahrheit die letzten Marsianer? Schon jetzt hat ihre Erforschung einige der Dogmen in der Phylogenie auf den Kopf gestellt: Statt bisher zweier Hauptstämme des Organismenreichs musste, nicht zuletzt aufgrund der Analysen des Erbguts einiger extremophiler Mirkoorganismen, ein weiterer dritter eingerichtet werden.
Aber auch in der modernsten aller Forschungsrichtungen, der Biotechnologie, haben die „Superbugs“ für einigen Aufruhr gesorgt. Kaum wurden die ersten Exemplare gefunden, setzte geradezu ein Run auf die begehrten Extremozyme – die speziell angepassten, resistenten Enzyme dieser Organismen – ein. Ihr großer Vorteil: Sie können überall dort verwendet werden, wo bisher Temperaturextreme oder giftige Schadstoffe den Einsatz von biologischen und biotechnologischen Verfahren verhindert haben.
Stand: 26.05.2001