Die glorreichen Tage der Apollo-Missionen sind heute vorbei. Während früher ein Ereignis wie die Mondlandung ganze Nationen in ihrer Begeisterung einte, streiten sich heute Parteien, Regierungen und Institutionen um den Sinn oder Unsinn der bemannten Raumfahrt. Spätestens seit der tragischen Challengerexplosion hat selbst in den USA der Raumfahrt-Enthusiasmus einen empfindlichen Dämpfer erhalten.
In Zeiten schwacher Konjunkturen stehen die Raumfahrtbehörden und Forschungsinstitute vor dem Problem immer knapper werdender Budgets. Wenn es auch der NASA noch immer weitaus besser geht als beispielsweise der notorisch geldlosen russischen Raumfahrt, muss selbst sie jeden ihrer Haushaltspunkte verstärkt vor der amerikanischen Regierung rechtfertigen. Dennoch hat die amerikanische Raumfahrtbehörde seit kurzem sogar ein eigenes Institut für die „Forschung und Entwicklung zur menschlichen Eroberung des Alls“eingerichtet.
Auch in Europa bricht die Debatte um die Finanzierung der bemannten Raumfahrt immer wieder neu aus. Während unbemannte Projekte meist mit einer breiten Zustimmung rechnen können, wird über eine Beteiligung an Unternehmen wie der Internationalen Raumstation ISS nach wie vor heftig gestritten. Als ein teures und unsinniges Spielzeug kritisieren beispielsweise die Grünen die bemannte Raumfahrt. Sie führen an, daß das Geld sinnvoller für Maßnahmen zur Erhaltung der irdischen Umwelt genutzt werden sollte. Verfechter der „Menschen im All“ – Projekte halten dagegen, daß gerade die Erkenntnisse, die bei Experimenten im All gewonnen werden, das Überleben auch auf der Erde sichern könnte.
Aber gerade auch von wissenschaftlicher Seite schlägt den Befürwortern der bemannten Raumfahrt mancherorts ein kalter Wind entgegen: Abgesehen von dem politischen Prestige der beteiligten Staaten sei von der ISS auf der Erde nicht viel mehr zu erwarten als ein Aufschwung in der Raumfahrtindustrie, bunte Bilder aus dem All und noch mehr Müll in der Umlaufbahn. Und das, so die Klage, werde nicht zugegeben: die Wissenschaft müsse herhalten, um das teure Vorhaben vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Auch den von vielen prognostizierten und erhofften volkswirtschaftlichen Aufschwung werde die ISS kaum bringen, da die Raumfahrtindustrie mit etwa 5000 Beschäftigten nur ein kleiner Sektor der Gesamtwirtschaft sei. Statt des teuren und prestigeträchtigen Großprojektes solle die ESA lieber unbemannte Missionen zur satellitengestützten Erdbeobachtung fördern.
Demgegenüber betonen viele Befürworter auch den völkerverständigenden Effekt einer solchen Raumstation: Sie sehen in der ISS ein Stück „Friedensdividende“, da auf ihr ab 2003 Amerikaner, Kanadier, Russen, Japaner und Europäer einige hundert Kilometer entfernt von der Erde über nationale, politische und sprachliche Grenzen hinweg zusammenarbeiten sollen.
Inzwischen sind auch die Unternehmen der Raumfahrtindustrie aktiv geworden, als „Raumfahrt-Initiative Deutschland“ werben sie für die Raumfahrt als Schlüsseltechnologie: „Nüchterne Fakten belegen, daß es sich für Deutschland und Europa weiterhin lohnen wird, auf die Raumfahrt als Schlüsseltechnologie für heutige und zukünftige Märkte zu setzen.“
Welche Auswirkungen die Internationale Raumstation auch immer haben wird, ob „außer Spesen nichts gewesen“ oder „ein wichtiger Schritt auf dem Weg ins All“ – sie wird gebaut, mit oder ohne deutsche Beteiligung…
Stand: 27.03.2001