Als die Bewohner Hiroshimas am Morgen des 6. August 1945 – nur wenige Sekunden vor der Vernichtung ihrer Heimatstadt – in den grellen Blitz der Atombombe blickten, wussten sie nicht, dass die Ursache der Detonation in dem Verschwinden von weniger als einem Gramm Materie bestand. Auch Albert Einstein ahnte noch nichts von den Auswirkungen, als er Jahrzehnte zuvor die Formel niederschrieb, welche die theoretische Grundlage für diese Katastrophe bildete:
E = mc²
Diese populäre Formel wird oft zitiert, aber vergleichsweise selten erklärt. Im Grunde besagt sie, wieviel Energie man maximal von einer beliebigen Masse erhalten würde, wenn man diese vollständig in Energie umwandeln könnte. Würde dies tatsächlich ohne Verluste gelingen, könnte man mit nur ein paar Tonnen Materie die gesamte Erde über Jahre hinweg mit Energie versorgen. Eine unglaubliche Vorstellung – kein Wunder, dass anfangs niemand Einsteins Gleichung Glauben schenken wollte.
Traurige Berühmtheit erreichte die Formel dann auch nicht durch die Abschaffung sämtlicher Energiesorgen der Menschheit (obwohl ohne sie auch niemals die friedliche Nutzung von Kernenergie möglich gewesen wäre), sondern durch den Bau der ersten Atombombe. Dass Atombomben irgendwas mit Radioaktivität und Uran zu tun haben, weiß jeder. Aber wie konnte Einsteins Formel bei der Entwicklung dieser Waffe helfen?
Der Massendefekt
Die Grundlage der Atombombe bildet der sogenannte Massendefekt. Dieser Vorgang wurde zunächst an miteinander reagierenden Wasserstoffatomen beobachtet. Verschmelzen vier Wasserstoffatome zu einem Heliumkern, so ist dieser ein wenig leichter als die vier Ausgangsatome, er besitzt eine etwas geringere Masse. Diese Masse kann nicht einfach spurlos verschwunden sein, sie wurde vielmehr in Energie umgewandelt. Bei der Verschmelzung von vier Wasserstoffatomen entstehen also Energie und Helium.
Auf diesen Energie freisetzenden Massendefekt hoffte man auch bei den radioaktiven Elementen. Diese zerfallen spontan, indem sie beispielsweise Protonen und Neutronen aus ihren Atomkernen freisetzen. Anstatt einer Fusion von vier einzelnen Atomkernen zu einem Kern (Wasserstoff wird zu Helium), hofften die Wissenschaftler, mit den umgekehrten Fall einer Kernspaltung ebenfalls Energie zu erzeugen.
Berechnungen zeigten, dass die Summe der Spaltprodukte eines sehr schweren Elementes um einen kleinen Betrag an Materie kleiner wäre, als der ungespaltene Kern. Dieser Massendefekt müsste also ebenfalls durch freigesetzte Energie ausgeglichen werden.
Das Problem bestand für die Forscher nun darin, Neutronen zu erzeugen, die durch einen Aufprall auf den Atomkern die Kernspaltung auslösen würden. Dazu benötigte man Teilchenbeschleuniger, die einen riesigen Energieaufwand verlangten. Durch über eine Milliarde Geschosse auf ein Berylliumatom im Teilchenbeschleuniger lösten sich gerade mal einige wenige Neutronen aus dem Kern. Dieses Problem umschrieb Einstein einmal so: „Wir sind in der Situation von miserablen Schützen, die in tiefer Dunkelheit in einem Gebiet auf Vögel schießen, in dem es nur sehr wenige Vögel gibt.“
Otto Hahn und die Kettenreaktion
Dieses Rätsel löste schließlich Otto Hahn, indem er eine Kettenreaktion voraussagte. Experimente hatten gezeigt, dass bei der Spaltung eines Urankerns zwei bis drei Neutronen frei werden. Diese Neutronen sollten nun ihrerseits weitere Urankerne spalten können, wodurch erneut Neutronen frei würden, die nun wieder Kerne spalten usw. Theoretisch würde also ein einziges von außen zugeführtes Neutron genügen, um diese Kettenreaktion durch die Spaltung des ersten Kerns auszulösen.
Die theoretischen Grundlagen zum Bau der Atombombe waren nun gegeben. Jetzt kam es darauf an, welche Nation diese Waffe zuerst in der Hand hätte.
Stand: 22.03.2001