Eine relativ zahlreiche Gruppe der Eisbewohner bilden auch die Foraminiferen oder Kammerlinge. Diese – für Einzeller mit 100 Mikrometern bis 20 Millimetern sehr großen – Tiere besitzen eine Art Gehäuse, das je nach Spezies aus organischen Komponenten, Sandkörnern und anderen aneinander geklebten Partikeln oder auch Kalk besteht. Vereinzelt können diese Strukturen auch einige Zentimeter groß werden, im Inneren bestehen sie aber immer aus einer Zelle.
Die Gehäuse der Foraminiferen sind von zahlreichen Poren und Öffnungen durchbrochen, aus denen die Tiere filamentartige Zellfortsätze, die Retikulopodien, herausstrecken. Diese ähneln den Scheinfüßchen von Amöben, sind nur viel zahlreicher und dünner. Mit diesen Strukturen gehen die Kammerlinge auf Jagd. Nahrungspartikel, die daran hängen bleiben, werden von Plasmaströmungen zum Zellkörper transportiert. Sie spüren aber auch andere kleine Organismen wie Bakterien oder Diatomeen adamit auf und erbeuten sie.
Für Einzeller ungewöhnlich ist die Tatsache, dass sich die Kammerlinge auch an viel größere, vielzellige Organismen heranwagen. Zweifelsohne ist gerade diese Flexibilität im Nahrungserwerb eines der Erfolgsgeheimnisse der Foraminiferen und hat es möglich gemacht, dass sie auch in so unwirtlichen Lebensräumen wie dem Meereis heimisch geworden sind. Es sind auch Arten bekannt, die eine Symbiose mit Algen eingehen, die sie innerhalb des Gehäuses halten. Die Algen stellen ihnen Photosynthese-Produkte zur Verfügung und genießen dafür den Schutz des Foraminiferen-Gehäuses.
Die Schalen sind in einzelne Kammern unterteilt und können die verschiedensten Formen annehmen: von einfachen offenen Röhren bis zu komplexeren geometrischen Formen. Anhand ihrer Schalen werden die Foraminiferen auch eingeteilt. Es gibt Arten, die Gehäuse mit vielen Kammern bauen (multilocular), bei anderen besteht es aus nur einer Kammer (unilocular). Auch die Anordnung der einzelnen Kammern wird zur Klassifizierung benutzt.
Die meisten Foraminiferen leben im Meer, viele von ihnen sind Bestandteil des Planktons. Wenn das Meer in den Polarregionen gefriert, werden sie in das Eis eingeschlossen. Sie sind jedoch typische Vertreter des antarktischen Meereises, in der Arktis kommen sie nicht vor. An manchen Stellen sind sie so zahlreich, dass das Sediment des Meeresbodens zu einem großen Teil aus ihren Schalen besteht. Wie auch die Algen bilden sie einen wichtigen Teil der Nahrungskette im Ozean.
Für Paläontologen spielen die Foraminiferen eine wichtige Rolle, um herauszufinden, wie früher die Umgebung ausgesehen hat. Da verschiedene Arten unterschiedliche Umgebungen bevorzugen, kann man aus dem gehäuften Auftreten einer fossilen Art schließen, wie an dieser Stelle die früheren Umweltbedingungen waren und damit Rückschlüsse auf das Klima ziehen. Die Wissenschaftler benutzen die fossilen Schalen auch, um die Wasserzusammensetzung früherer Zeiten zu rekonstruieren, da die chemischen Elemente der Schalen Rückschlüsse auf die Bestandteile der damaligen Meere zulässt. Wichtiger noch: die Forscher können auch Aussagen über die frühere Wassertemperatur machen, indem sie bestimmte Sauerstoffisotope in den Schalen analysieren. Diese Daten können dabei helfen, zu verstehen, wie sich das Klima in der Vergangenheit geändert hat und wie es sich in der Zukunft ändern könnte.
Kammerlinge vermehren sich im Gegensatz zu anderen Eis-Lebewesen nicht im Eis selbst. Sie können zwar selbst bei Salzkonzentrationen von 50 Promille noch wachsen, zur Vermehrung jedoch gehen sie nach der Eisschmelze ins Meerwasser zurück, wo schon viele Räuber auf sie warten.
Stand: 27.12.2000