Noch während die Paläo-Klimatologen über den Daten der Sediment-Bohrungen brüteten, entdeckte der Klimaforscher Stefan Rahmstorf 1994 – mehr oder weniger durch Zufall, wie er schreibt – ein wichtiges Indiz für einen Zusammenhang zwischen den beobachteten Klimafluktuationen und den Veränderungen der Meeresströmungen. In seinen Berechnungen und Computersimulationen zeigte sich, dass es noch eine zweite Schwelle gab, durch deren Überschreitung das atlantische Förderband zum Stillstand gebracht werden konnte.
Offenbar gab es neben dem langsamen Mechanismus, der durch ein Zuviel an Süßwasser ausgelöst wurde, noch einen zweiten, sehr viel schnelleren, bei dem die Prozesse an den „Absinkzonen“ eine entscheidende Rolle spielten. Vor Grönland und in der Labradorsee sinkt das salzhaltige dichte Oberflächenwasser in die Tiefe und mischt sich mit Wasser aus tieferen Schichten. Wenn diese Konvektionsströmungen unterbrochen werden, kann der gesamte Conveyor innerhalb weniger Jahre zusammenbrechen oder sich deutlich verschieben.
Diese sogenannte „konvektive Instabilität“, könnte, so vermutet Rahmstorf, vielleicht die abrupten Klimaschwankungen während der letzten Eiszeit erklären. Aus den Daten der Bohrkerne geht hervor, dass die heute nördlich von Island liegenden Konvektionsstellen zu Zeiten plötzlicher Kälteeinbrüche erheblich weiter südlich lagen. Dadurch reichte der nördliche Arm des warmen Golfstroms nicht mehr so weit in den Norden, die Fernwärme für Nord- und Westeuropa blieb aus. Als Folge sanken die Durchschnittstemperaturen deutlich, die Gletscher rückten nach Süden vor und weite Teile Europas versanken unter einer dicken Eisschicht.
Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass diese „konvektive Instabilität“ vielleicht bei weitaus mehr Klimaschwankungen eine entscheidende Rolle spielen könnten, als bisher angenommen. Auch für die sogenannte „Kleine Eiszeit“, bei der zwischen 1550 bis 1850 die Durchschnittstemperaturen plötzlich auf ein Grad unter den heutigen Wert fielen, könnten Veränderungen der Meeresströmungen im Spiel gewesen sein. Der Kälteeinbruch vertrieb damals die Wikinger aus ihren grönländischen Siedlungen, löste durch Ernteausfälle große Hungersnöte aus und bescherte auch Großbritannien strenge Winter.
Könnte das auch heute wieder passieren? Um das zu beantworten fehlt den Klimaforschern im Moment noch das entscheidende Puzzleteil: Der Schalter, der die „Fernheizung“ ausknippst. Der Mechanismus der „konvektiven Instabilität“ ist zwar weitestgehend bekannt, doch welcher Schwellenwert ihn auslöst und warum weiß noch niemand so genau…
Stand: 21.10.2000