Was bedeutet ein schwächerer oder gestoppter Nordatlantikstrom für das Klima in Europa? Klimasimulationen zeigen, dass sich der Nordatlantik ohne den Zustrom von warmem Wasser aus dem Südwesten deutlich abkühlen würde. Die Temperaturen der Meeresoberfläche könnten um bis zu sieben Grad sinken, die Lufttemperaturen im Bereich Skandinaviens sogar um bis zu zehn Grad. Die zusätzliche Abkühlung der Luft ist auf ein Anwachsen der Meereisflächen zurückzuführen, die im Gegensatz zu offenen Wasserflächen fast alles Sonnenlicht reflektieren und dadurch kaum Wärmeenergie von der Sonne aufnehmen.
Das Klima in Nordwesteuropa könnte dadurch deutlich kühler werden, aber kommt damit auch eine „neue Eiszeit“ wie einige Medien beim Bekanntwerden der Prognosen prompt titelten? Den Angaben der Klimaforscher zufolge wohl nicht, denn dazu müssten die Temperaturen schon um rund 20°C fallen. Stattdessen könnte das Wetter der Zukunft eher den Bedingungen entsprechen, wie sie heute schon in Nordkanada und Alaska herrschen – Regionen, die zwar auf einer ähnlichen geographischen Breite liegen wie das nördliche Europa, aber nicht in den Genuss der atlantischen „Fernwärme“ kommen. Typischerweise sind dort die Winter mit durchschnittlichen Temperaturen von -15°C kalt und lang, im Sommer herrscht mit nur 10°C Durchschnittstemperatur im Juli auch nicht gerade bestes Badewetter.
Doch weitaus gravierender als diese rein meteorologischen Konsequenzen sind die wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die eine solche Klimaverlagerung nach sich ziehen könnte: Im Winter wäre der größte Teil der britischen und skandinavischen Seehäfen zugefroren, der Schiffsverkehr käme zum Erliegen. Die Zusammensetzung und Menge der Fischbestände vor den europäischen Küsten könnte sich dramatisch ändern, in einigen heute fischreichen Gebieten wären die Fischer dann unter Umständen mit gähnender Leere in den Netzen konfrontiert.
In den heute wegen ihres milden Klimas fruchtbaren Regionen Westeuropas und Großbritanniens wäre mit drastischen Ernteausfällen zu rechnen, kälteempfindliche Pflanzen könnten nur noch in beheizten Treibhauskulturen angebaut werden. Ein dramatischer Anstieg der für die Heizung von Gebäuden und Treibhausanlagen benötigten Energie wäre die Folge.
Doch ob Europa wirklich eine solche Abkühlung bevorsteht, wenn der Nordatlantikstrom versiegt, ist allerdings längst nicht so eindeutig, wie es das Szenario suggeriert. Noch immer sind zu viele unbekannte Faktoren mit im Spiel, sind die Simulationen und Modelle der Klimaforscher zu ungenau, so dass gerade die kleinräumigeren Folgen einer globalen Veränderung sich nicht ablesen lassen.
Ob in Europa die Abkühlung durch den schwächer werdenden Nordatlantikstrom oder die Erwärmung durch das Treibhausklima das Klima der Zukunft bestimmen werden, ob eine „konvektive Instabilität“ die Fernheizung ganz abreissen lässt, oder doch alles nur halb so schlimm wird – bisher gehen darüber die Meinungen und Prognosen auseinander. In einem Punkt sind sich die Klimaforscher allerdings einig: Die nächste Eiszeit kommt bestimmt – in rund 50.000 Jahren…
Stand: 21.10.2000