Tiefsee – lange Zeit verbanden Ozeanologen und Meeresbiologen damit Dunkelheit, Kälte und nur einige wenige einzelne exotische Lebensformen. Doch mit der Entdeckung der hydrothermalen Schlote 1977 änderte sich dieses Bild dramatisch. Vor den Augen der verblüfften Wissenschaftler entfaltete sich ein wimmelndes Kaleidoskop des Lebens: Farbenfrohe Würmer aller Größen reckten sich dicht an dicht aus ihren Röhren, winzige Krebschen huschten durch das warme Wasser und der weiße Staub, den das Tauchboot aufwirbelte, war kein Staub sondern bestand aus Milliarden kleinster Bakterien…
Die Entdeckung dieser „Oasen des Lebens“ in der Tiefsee war nicht nur unerwartet, sie widersprach auch allen bestehenden Annahmen. Bisher galt alles Leben immer als direkt oder mindestens indirekt vom Licht abhängig. So wie an Land alle Nahrungsnetze letztlich auf den Pflanzen aufbauen, die durch Photosynthese Licht in organisches Material umsetzen, so müsse es auch im Meer sein. In der Tiefsee, so glaubte man, könne es allenfalls einige wenige primitive Organismen geben, die sich von dem ernähren, das aus den oberen, lichtdurchfluteten Wasserbereichen auf sie herabregne.
Wie aber passten nun die neu entdeckten Lebensgemeinschaften an den unterseeischen Schloten ins Bild? Verglichen mit dem umgebenden öden Ozeanböden quollen die Schlotfelder geradezu über vor Leben und Aktivität. 10.000 bis 100.000 Mal dichter als in der restlichen Tiefsee ballten sich hier die Organismen zusammen. Mehr als 300 neue Tierarten fanden Biologen allein in den letzen Jahren in diesen „Unterwassergroßstädten“. Sie alle mussten einen Weg gefunden haben, um unabhängig von der Nahrungszufuhr von oben zu leben und sich zu vermehren.
Die Lösung des Rätsels war ebenso klein wie zahlreich: die Schwefelbakterien. Meeresbiologen fanden bald heraus, dass diese winzigen Einzeller die giftigen Schwefeldämpfe der Schlote nicht nur bestens vertrugen, sondern sogar brauchten. Im Gegensatz zu Pflanzen nutzen Schwefelbakterien nicht das Sonnenlicht, sondern die Energie der chemischen Substanzen im heißen Schlotwasser, um organische Kohlenstoffverbindungen wie Zucker und Eiweiße zusammenzubauen.
Damit bilden die schwefelfressenden Mikroben die Grundlage für ein Nahrungsnetz der besonderen Art: es ist bisher das einzige, in dem chemoautotrophe Lebewesen als Basis für eine ganze Lebensgemeinschaft dienen. Denn von den organischen Produkten der Bakterien profitieren nicht nur sie selbst, sondern auch alle anderen Organismen der wimmelnden Schlot-Community.
Einige von ihnen ernähren sich direkt von den milliardenfach vorhandenen Einzellern: Vielborstige Würmer fressen sich gemächlich durch aufgewirbelte Bakterienwolken und unzählige winzige blinde Krebschen wuseln ameisengleich über die Basaltblöcke der Schwarzen Raucher und weiden den darauf wachsenden dichten Schwefelbakterienrasen ab. Doch es geht noch viel eleganter…
Stand: 27.08.2000