Ist es einmal so weit gekommen, haben alle Abhängigkeiten – ob substanzbezogen oder nicht -einiges gemeinsam: Der Betroffene leidet unter psychischen oder körperlichen Entzugserscheinungen, wenn seine Sehnsucht nach dem nächsten Hochgefühl nicht erfüllt wird. Symptome wie Schmerzen, Muskelzittern, Nervosität, Angstzustände, Depressionen und Schweißausbrüche sind nur Beispiele des unter dem englischen Begriff „Craving“ zusammengefassten Verlangens nach dem Suchtmittel. Die Abhängigen stellen ab einem bestimmten Grad der Erkrankung ihr Leben ganz auf ihr Sucht-Verlangen ein. So rücken soziale Gefüge, Arbeit, Familie und im Extremfall sogar lebenserhaltende Alltäglichkeiten, wie Essen und Trinken, in den Hintergrund.
Nicht jeder Süchtige ist gleich
Je nach sozialem Status der Person und Verfügbarkeit des Suchtobjektes kommen diese Nebeneffekte dabei unterschiedlich stark zum Tragen. Denn das Bild vom Junkie am Bahnhof, der sich durch Diebstahl und Schnorrerei seinen nächsten Schuss erschleicht, lässt zwar vielen Eltern die Haare zu Berge stehen, repräsentiert aber nur einen sehr geringen Prozentsatz der Suchtkranken.
Abhängigkeit findet sich in allen Gesellschaftsschichten. So kann sich auch ein gut situierter Pegel-Trinker trotz Bitten und Betteln der Familie weigern, etwas an seiner Alkoholabhängigkeit zu ändern. Denn trotz seiner Sucht „funktioniert“ er im Alltag noch halbwegs normal. Und süchtig sei er schließlich sowieso ganz und gar nicht. Doch auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussieht: Auch für ihn sind das Bier, der Wein, der Schnaps, wichtiger geworden als alles ihn Umgebende – er ist abhängig…
So kommen neben den Entzugssymptomen häufig das Nicht-Eingestehen und die Leugnung oder das Abtun des Problems als suchttypisch hinzu. Um Unsicherheit zu kaschieren, werden etwa Witze über das eigene Verhalten gemacht. „Ja, ich renn´ noch mal, bis ich tot um fall`!“ könnte etwa ein Sportsüchtiger – angesprochen auf seinen Bewegungszwang – humorvoll erwidern.
Und Sprüche wie „Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren.“ sollen nur allzu häufig ein zwanghaftes Trinkverlangen kaschieren.
Doch mit fortschreitender Abhängigkeit wird diese immer Schwieriger zu leugnen, denn ein weiteres Merkmal der Sucht ist die eintretende Gewöhnung des Körpers. Das äußert sich unter anderem darin, dass etwa eine immer höhere Dosis eines Stoffes eingenommen werden muss oder eine Handlung häufiger und mit steigender Wichtigkeit ausgeführt werden muss, um den gleichen befriedigenden Effekt zu erzielen. So ist selbst die scheinbar harmloseste Sucht im fortgeschrittenen Stadium kaum mehr zu verstecken.
Kathrin Bernard
Stand: 22.02.2013