Mit dem Gnomon hatten die Mesopotamier bereits ein effektives Werkzeug, um die Bewegung der Sonne zu verfolgen. Für die nächtlichen Sternenbilder half ihnen dies allerdings wenig. Dafür bedurfte es anderer Winkelmessinstrumente, wie der frühen Armillarsphäre, aber vor allem einer geduldigen Beobachtung. Bereits die Sumerer hatten Methoden zur langwierigen Beobachtung von Konstellationsbewegungen und deren Dokumentation entwickelt. Später fassten die Babylonier diese Beobachtungen dann mathematisch zusammen.
Im Zentrum der Himmelsbeobachtungen stand dabei der neben der Sonne und dem Mond hellste Himmelskörper: die Venus. Noch heute leuchtet sie vor allem am frühen Morgen oder Abend am Nachthimmel, weshalb sie schon bei den Babyloniern als Morgen- und Abendstern bekannt war. Bei den Römern bekam der erdnächste Planet später den Namen der Liebesgöttin Venus. Doch auch die Mesopotamier widmeten ihn bereits der Göttin Ishtar, die, ähnlich der späteren Venus, als Göttin des sexuellen Begehrens und des Krieges verehrt wurde.
Die Periodizität der Venus
Die Venus sticht mit ihrer Größe und Helligkeit dem Himmelsbetrachter sofort ins Auge, weshalb sie bereits damals populär war und Ziel intensiver Beobachtungen wurde. Tatsächlichen zahlten sich diese langjährigen Studien aus: Die Babylonier entdeckten, dass sich die Bewegungen der Venus über den Nachthimmel alle acht Jahre wiederholen. Mit dieser heute als „Venusperiode“ bekannten Abfolge hatten die Babylonier eines der wichtigen Charakteristika für das Verhalten von Planeten am Himmel – die sogenannte Periodizität – entdeckt.
Die Dokumentationen, auf denen diese Entdeckung gründet, wurde zur damaligen Zeit jedoch noch etwas anders formuliert, als es heutige Astronomen vermutlich tun würden: „Wenn im Monat Sabatu (Februar) am 15. Tage Venus im Westen verschwand, 3 Tage unsichtbar blieb […], so gibt es Katastrophen von Königen; Adad (mesopotamischer Wettergott) wird Regen bringen, Ea (Nachkomme Tiamats) unterirdisches Wasser; Könige werden Königen Grüße senden.“ Doch trotz ihres eher prophetisch anmutenden Inhalts enthielten diese Aufzeichnungen klare Beobachtungen und lieferten so die Grundlage für Entdeckungen wie die Venusperiodizität.
Die Entdeckung der Saroszyklen
Aber nicht nur die wiederkehrenden Bewegungen des Morgen- und Abendsterns konnten die antiken Astronomen auf diese Weise beschreiben. Auch die Entdeckung der sogenannten Saroszyklen wird den Wissenschaftlern des Zweitstromlandes zugeschrieben. Dabei handelt es sich um einen von vielen Finsterniszyklen. Solche Zyklen beschreiben ein Muster, das sich aus den nach einem gewissen Zeitraum wiederholten Umlaufbahnen von Mond und Erde um die Sonne ergibt.
Damit es etwa zu einer Sonnenfinsternis kommt, müssen Sonne, Mond und Erde in einer Linie stehen. Dies tritt nur auf, wenn der Mond an einer der beiden Schnittstellen seiner Umlaufbahn mit der Ekliptik der Sonne steht. Da nicht nur die Überschneidung von Sonnen und Mondbahn wichtig ist, sondern auch die der Erdbahn und die Erdposition relativ zu beiden – kommt es stets an unterschiedlichen Orten und Zeiten zu Sonnenfinsternissen auf der Erde. Aufgrund der Periodizität der Konstellationsbewegung wiederholen sich diese Ereignisse aber in unterschiedlich langen Abständen. Dies bezeichnet man allgemein als Finsterniszyklus.
Der Saroszyklus ist einer von ihnen. Die Babylonier fanden für ihn eine Länge von 18 Jahren und elf Tagen. Nach genau dieser Zeit, wiederholt sich im Saroszyklus eine Abfolge von 71 Finsternisereignissen. Ist ein solches Zyklus-Muster einmal erkannt, lassen sich weiter Finsternisse leicht voraussagen.
Den Namen Saros tragen diese Zyklen durch einen Irrtum des englischen Astronomen Edmund Halley, der sich fälschlicherweise auf den antiken Begriff SAR stützte, welcher so viel wie die Zahl „3.600“ oder „im Weltall“ bedeutet. Die ursprüngliche babylonische Bezeichnung lautete jedoch: 17,46,40 – ein mathematisches Synomym für „18 Jahre“. Einige Jahrhunderte nach seiner Entdeckung um 748 vor Christus wurde der Saroszyklus auch von den griechischen und römischen Gelehrten wie Herodot, Hipparchos, Plinius und Ptolemäus erwähnt.
Kathrin Bernard
Stand: 02.02.2013