So sensationell die von Craig Venter und seinem Team erzeugte synthetische Bakterienzelle ist – eine neue Lebensform haben sie damit noch nicht geschaffen. Denn ihr Nachbau basiert auf einem bereits existierenden Gencode – dem für das Bakterium Mycoplasma mycoides. Von einem neuen Organismus aus dem Genbaukasten scheint das noch weit entfernt.
„Einige Leute waren auch ziemlich enttäuscht, dass wir das diesmal noch nicht gemacht haben“, kommentiert Craig Venter. „Aber wir mussten erstmal was kopieren, von dem wir wussten, dass es in der Realität auch funktioniert.“ Die erste Zelle diente daher vor allem dem Test des Verfahrens – und noch nicht unbedingt der Erschaffung eines maßgeschneiderten Lebewesens. „Wir haben ursprünglich aber tatsächlich mal darüber nachgedacht, so etwas zu versuchen“, so der Genforscher. Aber schon beim jetzigen Ansatz seien 99 Prozent aller Versuche gescheitert – das hätte sich dann noch potenziert.
Die Forscher sehen ihre erste Eigenbau-Zelle daher eher als Türöffner: Jetzt, wo sie wissen, wie sie ein komplettes Genom synthetisieren und zu einer lebenden Zelle machen können, eröffnet ihnen das neue Perspektiven – darunter auch die eines Erbguts, das es in der Natur bisher nicht gibt. Noch allerdings gibt es bis dahin einige Hürden.
Wie verwandt muss die Empfängerhülle sein?
Eine davon ist noch immer der Start des neuen Genoms: Damit das künstliche gebaute Erbgut aktiv wird, muss die Zellmaschinerie es erkennen. „Bei uns funktionierte das, weil wir mit sehr nahe verwandten Arten gearbeitet haben“, erklärt Carol Latigue, die vor allem an der biologischen Seite des Projekts beteiligt war. „Im Moment wissen wir noch nicht, wie weit Empfängerzelle und Genom auseinander liegen dürfen.“ Und auch welche Teile des Erbguts dabei möglicherweise ausschlaggebend sind, ist noch unklar. Ein komplett auf dem Reißbrett entworfenes Genkonstrukt könnte daher zwar theoretisch wunderbare Eigenschaften haben, praktisch aber schon an dieser Hürde scheitern.
Gebrauchsanleitung Fehlanzeige
Und noch ein Problem gibt es beim kompletten Neuentwurf des Lebens: „Wir haben zwar eine Liste der Teile – der Gene und ihrer Regulatoren – aber wir wissen nicht, wie sie alle miteinander wechselwirken“, erklärt James Collins, Professor für Bioengineering an der Boston University in einem Nature-Kommentar. „Eine lebende Zelle nur aufgrund einer Liste von Genen zusammenzubauen, wäre daher als wenn man einen Jumbo-Jet nur auf Basis einer Liste seiner Einzelteile konstruieren wollte.“ Für Jumbo wie für die Zelle braucht eine detaillierte Gebrauchsanweisung. „Und bei der Zelle sind wir von einer solchen Gebrauchsanweisung noch weit entfernt“, so Collins.
In absehbarer Zukunft, da sind sich die Forscher relativ einig, werden die Zellbastler daher erstmal die Blaupausen der Natur nutzen und sie an bestimmten Stellen nach ihrem Gusto abwandeln. Was aber bringt diese neue Technologie kurz- und langfristig wirklich?
Nadja Podbregar
Stand: 23.03.2012