Wie aber sieht die rechtliche Grundlage für diese und andere Entscheidungen überhaupt aus? Was ist laut Patentrecht patentierbar? Im Prinzip muss ein Patent nur drei Kriterien genügen: Es muss vom Menschen erfunden, neu und nicht offensichtlich sein, so legt es das europäische Patentrecht fest. Doch vor allem die erste dieser Regeln hat es in sich.
Kriterium der Erfindung
Gerade in der Debatte um Genpatente spielt dieses Kriterium immer wieder eine entscheidende Rolle. Problematisch ist dabei vor allem das Fehlen einer einheitlichen Definition des Begriffs „Erfindung“. Dadurch existieren je nach Institution oder Land teilweise höchst unterschiedliche Ansichten dazu, was als Erfindung gelten kann und was nicht. Das Deutsche Bundesverfassungsgericht etwa umschrieb noch Ende der 1960er Jahre die Erfindung als „Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur unmittelbaren Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges“. Etwas verständlicher formuliert es der deutsche Bundesgerichtshof heute: „Patentierbar ist eine Lehre zum technischen Handeln, das heißt eine Instruktion, wie man ein technisches Problem löst.“
Doch wie lässt sich das auf die heutigen Biopatente anwenden? Weil gerade dort in der Regel eben keine eindeutigen technischen Neuerungen patentiert werden sollen, greift die klassische Definition hier ins Leere. Leichter haben es da die Amerikaner, in deren Patentgesetz eine Erfindung nur sehr allgemein als „menschlicher Eingriff, der zur Entdeckung oder Erfindung eines Prozesses, einer Maschine, eines Fabrikats oder der Verbindung von Stoffen, oder einer Verbesserung davon führt.“ Immerhin könnte man Gene eindeutig als „Verbindungen von Stoffen“ deklarieren.
Aber wo beginnt in diesem Fall die Erfindung und wo endet die bloße Entdeckung? Für die Diskussion um die Genpatente ist genau dies die entscheidende Frage, bei der auch die beliebte Faustregel: „Eine Entdeckung bereichert das menschliche Wissen, eine Erfindung das menschliche Können“ kaum weiterhilft. Entsprechend unterschiedlich sind die Interpretationen dessen, was ein Genpatent enthalten muss, um es von der reinen Entdeckung zur Erfindung zu adeln.
Kriterium der Neuheit
Als neu gilt eine Erfindung dann, wenn sie zum Zeitpunkt der Patentanmeldung nicht öffentlich bekannt ist. In Europa darf sie daher nicht vorher publiziert worden sein, in den USA dagegen schon, wenn die Veröffentlichung nicht länger als ein Jahr zurückliegt. Auch überliefertes Volkswissen ist nach diesem Kriterium nicht patentierbar. Sind solche Patente bereits verliehen, kann gegen sie Beschwerde erhoben werden.
Bekanntestes Beispiel ist die Klage gegen das Patent auf den Extrakt des Neem-Baums, der in Indien schon seit Jahrhunderten gegen Schädlinge eingesetzt wird. Ob der Gegenstand des Patents schon vorher existiert hat oder nicht, ist dagegen völlig unerheblich: Deshalb kann ein Gen durchaus als neu gelten, obwohl es schon seit Jahrmillionen vorhanden ist. Entscheidend ist allein, ob die Fachwelt von seiner Existenz wusste. In Europa erstreckt sich der Patentschutz dann aber nicht auf das Gen an sich, sondern nur auf die gereinigte und isolierte Form und ihre Anwendung.
Kriterium der Nicht-Offensichtlichkeit
Um patentfähig zu sein, muss eine Erfindung über den gegenwärtigen Stand der Technik hinausgehen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sie überraschend, unerwartet, oder unvorhersagbar ist, aber auch, wenn sie den unter Experten verbreiteten Vorurteilen widerspricht und daher unkonventionell ist. Außerdem kann sie patentiert werden, wenn sie ein Problem löst, das vorher nicht gelöst werden konnte, einen deutlichen Vorteil gegenüber anderen Techniken zeigt oder einen neuen Gebrauch für ein bekanntes Produkt darstellt. Als Maß für die Nicht-Offensichtlichkeit wird dabei das Wissen eines „durchschnittlichen Fachmanns“ gewählt.
Eine Erfindung geht dann über den Stand der Technik hinaus, wenn dieser Durchschnittsfachmann sie nicht als naheliegend empfindet. Die Idee hinter diesem Kriterium ist es, zu verhindern, dass schon geringfügige technische Abwandlungen gleich als eigenes Patent angemeldet werden können. In Bezug auf die Gentechnik argumentieren einige Kritiker, dass inzwischen die Technik zur Herstellung transgener Organismen so hinreichend etabliert und offensichtlich ist, dass sie nicht bei jedem neuen Gen oder Organismus patentierbar sein sollte. Theoretisch könnte dies ebenso für die Sequenzierung und Isolierung eines Gens gelten, streng genommen würde in diesem Falle nur die allererste Gensequenzierung patentierbar sein…
Nadja Podbregar
Stand: 23.03.2012