Nicht alles, was als Erfindung gilt, kann auch patentiert werden. Das europäische Patentrecht benennt ausdrücklich eine Reihe von Erfindungen, auf die grundsätzlich keine Patente erteilt werden. Dazu gehören: Verfahren der Diagnostik, Therapie und Chirurgie, die am menschlichen oder tierischen Körper angewandt werden. Diese Einschränkung gilt jedoch nicht für diagnostische Verfahren, die außerhalb des menschlichen Körpers, zum Beispiel an Körpergewebe oder -flüssigkeiten wie Blut oder Urin zum Einsatz kommen.
Nicht patentierbar sind auch Pflanzensorten und Tierarten und „im Wesentlichen“ biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren laut europäischem Patentgesetz nicht patentierbar. Mikrobiologische Verfahren und die damit gewonnenen Erzeugnisse können dagegen patentiert werden. Ebenfalls kein Patent gibt es in der EU auf Erfindungen, deren Veröffentlichung oder Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde – eigentlich. Als Verstoß gegen die guten Sitten gilt in der Praxis des EPA, wenn die Verwertung einer Erfindung „nicht im Einklang mit den im europäischen Kulturkreis anerkannten Verhaltensnormen steht“.
Mischwesen aus Mensch und Tier
Was das konkret heißen kann, zeigte sich im Jahr 2000. Kurz zuvor hatte das Europäische Patentamt der australischen Firma Amrad ein Patent (EP 380646) auf die Herstellung von Mischwesen aus Mensch und Tier erteilt. Das Patent erstreckte sich auf ein „Verfahren zur Herstellung eines nicht-humanen chimären Tieres“ mithilfe einer Mischung von menschlichen und tierischen embryonalen Zellen. Embryonale menschliche Stammzellen sollen dabei in einen tierischen Embryo eingeführt werden. Im Ergebnis sind die solchermaßen gezüchteten Chimären zwar nicht menschlich, sie können aber menschliche Organe, Körperteile, Nervenzellen und Erbanlagen enthalten.
Im Patent wurde damals weder angegeben, welchem Zweck diese Tiere dienen sollen, noch ob entsprechende Versuche bereits durchgeführt wurden. Hingewiesen wurde allerdings darauf, dass mit dem patentierten Verfahren menschliche Keimzellen im Labor gezüchtet und kultiviert werden sollen. Nachdem die Umweltorganisation Greenpeace dieses Patent öffentlich machte, gab es heftige Proteste – denn eigentlich hatte das EPA damit gegen seine eigenen Regeln verstoßen. Noch im Oktober desselben Jahres hatte es erklärt, Patente auf solche Chimären und menschliche Embryonen könnten nicht erteilt werden, weil dies gegen die „guten Sitten“ verstoße. Und bezog sich dabei auf den entsprechenden Artikel im europäischen Patentübereinkommen.
Menschliche Embryonen als Rohmaterial
Dass dies das EPA nicht davon abhielt, sogar Patente auf eindeutig verbotene Praktiken zu erteilen, zeigt ein Beispiel aus dem Dezember 1999. Der Antragsteller, die australische Firma Stem Cell Science, ließ sich darin ein Verfahren schützen, bei dem Zellen aus menschlichen Embryonen entnommen, gentechnisch verändert und dann zum Beispiel zur Züchtung von Organen oder sogar gentechnisch veränderten Menschen verwendet werden könnten.
Ein solches Verfahren widerspricht jedoch sowohl deutschem als auch europäischem Recht, da beide ausdrücklich konstatieren, dass Patente auf Embryonen nicht erteilt werden dürfen. Nachdem dieser „Tabubruch“, wie die Presse damals prompt titelte, publik gemacht wurde, gab sich das Patentamt zerknirscht: „Es ist traurig, dass dies passiert ist“, so der EPA-Sprecher. Es sei schwer verständlich, wie es gerade in diesem sensiblen Bereich zu der unrechtmäßigen Patentzulassung kommen konnte.
Im Gegensatz zu den europäischen Gesetzen sieht das amerikanische Patentgesetz allerdings keine solchen Ausnahmen vor. Weder Pflanzensorten und Tierarten noch Diagnostika und Therapeutika werden von der Patentierung ausgeschlossen. In einem wegweisenden Gerichtsfall hielt der zuständige Richter fest, als patentierbar gelte grundsätzlich alles, was von Menschenhand hergestellt worden sei („everything under the sun that is made by man“). Weltweit lehnt sich die Patentgesetzgebung der meisten Länder bisher jedoch stärker an die strengeren europäischen als an die US-Regelungen an.
Nadja Podbregar
Stand: 23.03.2012