Paradoxerweise erhielt Alfred Wegener den Anstoß für die Theorie der Plattentektonik ausgerechnet von der Landbrücken-Theorie, der er später so vehement widersprechen sollte. Wegener hatte gerade seinen Posten als Dozent für Meteorologie und Astronomie an der kleinen Universität von Marberg angetreten, als er 1910 in der Bibliothek auf eine Reihe von Veröffentlichungen zu den Landbrücken stieß. In ihnen wurden ausführlich die Fossilien beschrieben, die beiderseits des Atlantiks gefunden worden waren und die das Bestehen einer Landverbindung zwischen Südamerika und Afrika beweisen sollten.
Wegener war von diesen Übereinstimmungen fasziniert und suchte nun auch in anderen Berichten nach weiteren Indizien für Ähnlichkeiten zwischen beiden Kontinenten. Seiner zukünftigen Frau schrieb der junge Meteorologe wenig später begeistert: „Passt nicht die Ostküste Südamerikas genau in die Westküste Afrikas, als wenn sie einmal Teil eines Ganzen gewesen wären? Dies ist ein Gedanke, den ich verfolgen muss…“
Und genau das tat Wegener. Je mehr er sich mit dem Thema befasste, desto klarer wurde ihm jedoch, dass die herrschende Lehrmeinung falsch sein musste. Er schrieb seinem zukünftigen Schwiegervater, dem anerkannten Klimatologen Wladimir Köppen: „Wenn die Geschichte der Erde plötzlich eine völlig neue und sinnvolle Deutung nahelegt, warum sollten wir dann zögern, die alten Ansichten über Bord zu werfen?“ Zwei Wochen später trat er zum ersten Mal mit einer radikal neuen Sicht der Dinge ans Licht der Öffentlichkeit.
Eklat am Dreikönigstag
Am 6. Januar 1912, auf der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung in Frankfurt am Main, ließ Wegener die Bombe platzen: Er verwarf die gängige Theorie der Landbrücken und präsentierte stattdessen seine Vision von wandernden Kontinenten und sich aufweitenden Meeren. „Der Kern seiner These lautete: Die Großform der Erdoberfläche, genauer gesagt die Verteilung der Kontinente und Ozeane würde sich stetig ändern, weil die Kontinente wanderten“, erklärt der Wissenschaftshistoriker Reinhard Krause vom Alfred-Wegener-Institut.
Für Wegener war klar, dass allein schon die unterschiedliche Beschaffenheit von Ozeanboden und Kontinentalplateaus ein längerfristiges Versinken von Landverbindungen extrem unwahrscheinlich machte. Durch die geringere Dichte der Landmassen hätten die Brücken wie ein Korken auf dem Wasser immer wieder an die Oberfläche schwimmen müssen. Weil aber Fossilienfunde und geologische Formationen andererseits eine frühere Verbindung der Kontinente eindeutig belegten, musste es eine andere Erklärung geben – die Wanderung der Kontinente selbst.
„…eher von der oberflächlichen Sorte“
Die Reaktion der Wissenschaftlerkollegen auf diese revolutionäre Idee war ebenso eindeutig wie einhellig – Ablehnung auf der ganzen Linie. Als „völliger Blödsinn“ bezeichnete sie der Präsident der amerikanischen Philosophischen Gesellschaft und Rollin Chamberlin, Geologe der Chicagoer Universität erklärte: „Wegeners Hypothese ist von der eher oberflächlichen Sorte. Sie nimmt sich einige Freiheiten mit unserem Globus heraus, ohne sich von lästigen Fakten binden zu lassen.“
Nadja Podbregar
Stand: 06.01.2012