Mit seiner Stahlskelettbauweise entsprach das World Trade Center einem klassischen Typ der Hochhausarchitektur. Die meisten modernen Wolkenkratzer sind nach ähnlichem Prinzip gebaut. Sind Hochhäuser heute noch sicher?
Für die Ingenieure Oral Buyukozturk und Franz-Josef Ulm, beide Professoren am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston, ist die Antwort hier eindeutig: „Um es laut und deutlich zu sagen: Alle Wolkenkratzer in diesem Land und darüber hinaus sind genau so sicher, wie sie es vor dem 11. September 2001 waren – in technischer Hinsicht. Weder die technische Realität hat sich geändert, noch die Eigenschaften der Materialien und Strukturen.“
Nur Bekanntes ist vorhersehbar
Doch bei dieser eher beruhigenden Aussage belassen sie ihre Analyse nicht. Sie fahren vielmehr fort: „Was sich jedoch gewandelt hat, ist die physische und soziale Realität. Die Definition von Verwundbarkeit muss nun erweitert werden“.
In der Tat: Denn mit dem Einsturz der beiden Türme scheint auch die Logik einer ganzen Welt kollabiert zu sein. Einer Welt, in der technische Perfektion Sicherheit schaffen und katastrophale Ereignisse durch entsprechende Berechnungen oder Simulationen vorweggenommen und entschärft werden können. Spätestens der Terroranschlag vom 11. September hat gezeigt, dass es immer Ereignisse gibt, die eben nicht voraussehbar oder gar planbar sind.
Und dies hat Folgen auch für die vermeintliche oder tatsächliche Sicherheit von Hochhäusern: „Beim Entwurf von Gebäuden können wir nur diejenigen ‚Worst-Case-Szenarios‘ antizipieren, die zum Zeitpunkt der Konstruktion bekannt sind. Für diese kann dann durch entsprechendes ingenieurtechnisches Design der Materialien und Bauteile ein Kollaps verhindert werden“, erklären die MIT-Experten das Dilemma.
Planen für das Unberechenbare
Doch gegen das Unbekannte gibt es keinen Schutz. Auch die Türme des World Trade Centers waren eigentlich bestmöglichst gegen alle Risiken abgesichert: Nach Ansicht der FEMA- Untersuchungskommission zeigten sich Tragwerk und Feuerschutzstrukturen der Gebäude nicht nur mängelfrei, sondern sogar oft besser als in den Minimalanforderungen vorgesehen. Sogar den Einschlag eines zivilen Verkehrsflugzeugs hatten die „Worst-Case-Szenarios“ berücksichtigt und in die Konstruktion mit einbezogen.
Was die Ingenieure allerdings nicht einplanten – und, weil niemals dagewesen, auch nicht einplanen konnten – war die Tatsache, dass es sich dabei um ein voll getanktes, mit Absicht und voller Beschleunigung in die Türme gelenktes Flugzeug handeln könnte.
Was also kann überhaupt getan werden? Nach Ansicht von Experten ist eine größtmögliche Redundanz in allen Bereichen das einzige Mittel, die Folgen einer solchen, nicht vorhersehbaren Katastrophe zu minimieren. Das Prinzip „Doppelt und Dreifach schützt“ müsse dann jedoch nicht nur in Bezug auf strukturelle Elemente, sondern auch für Feuerschutzmaßnahmen, Fluchtwege, Evakuierungspläne oder Kommunikationsmöglichkeiten im Notfall gelten. Diese Maßnahmen erfordern allerdings Umstellungen weit über die rein technische Ebene hinaus.
Nadja Podbregar