Die ersten Krebsstammzellen fanden Wissenschaftler von der University of Toronto vor acht Jahren bei den verschiedenen Krebsarten des Blutes, den Leukämien und Lymphomen. Dabei fiel auf, dass die Krebsstammzellen ihren gesunden „Schwestern“ ähneln, den blutbildenden Stammzellen. Beide Zelltypen tragen ähnliche Strukturen auf ihrer Oberfläche, können sich aus sich selbst heraus erneuern, sind also quasi unsterblich, und sie können im Organismus wandern.
In den folgenden Jahren wurden Krebsstammzellen auch bei anderen Krebsarten nachgewiesen, etwa in Tumoren des Darms, der Prostata, der Bauchspeicheldrüse, der Brust und des Gehirns. An der Gesamtmasse des Tumors haben Krebsstammzellen oft nur einen geringen Anteil. Doch genau sie sind es, die das Wachstum des Tumors antreiben, ihn langfristig überleben lassen und dafür sorgen, dass er Absiedelungen (Metastasen) bildet. Warum Krebsstammzellen so gefährlich sind und wie man sie im Patienten gezielt vernichten kann, möchte Andreas Trumpp mit seinem Team in den nächsten Jahren herausfinden.
Ursache für Rückkehr des Krebses
Forscher und Ärzte setzen große Hoffnungen in das Stammzellkonzept. Denn es kann womöglich nicht nur erklären, woher die größten Probleme der bisherigen Krebsmedizin rühren – es verspricht auch, sie zu lösen. Ein Nachteil herkömmlicher Chemo- oder Strahlentherapien ist etwa, dass sie die Krebszellen anfangs zwar eindrucksvoll zurückdrängen können – manchmal verschwindet der Tumor sogar ganz. Doch oft kehrt die Krankheit zurück. Noch nach Jahren oder Jahrzehnten kann der Patient einen Rückfall erleiden, dann häufig mit therapieunempfindlichen Krebszellen, die kaum mehr bekämpft werden können.
Der Krebs kehrt deshalb zurück, besagt das Krebsstammzellkonzept, weil weder Medikamente noch Strahlen den Krebsstammzellen viel anhaben. Im Unterschied zu „normalen“ Krebszellen überleben sie chemische Angriffe und Strahlenattacken oft unbeschädigt und verharren Wochen, Monate oder gar Jahre in einer Art Schlafzustand. Aus bisher unbekannten Gründen erwachen sie irgendwann wieder, teilen sich und wachsen erneut zu einem aggressiven Tumor heran.
Versteck in Nischen von adulten Stammzellen
Auch die Frage, warum ausgerechnet die Krebsstammzellen ungeschoren davonkommen, erklärt das neue Konzept: Sie sind nahezu unangreifbar eingeigelt. Und zwar in Nischen, die der Körper bereit hält, um seine wertvollsten Zellen – die adulten Stammzellen – vor Giften und anderen schädlichen Einflüssen zu schützen.
Wenn sich im Erbgut der adulten Stammzellen bestimmte Veränderungen ereignen, können aus ihnen Krebsstammzellen hervorgehen, die sich ebenfalls in den Nischen verstecken. „Wir gehen davon aus, dass es in jedem Organ und Gewebe unseres Körpers Nischen gibt, in denen adulte Stammzellen aufbewahrt sind“, erläutert Trumpp, „sie werden im Bedarfsfall aktiviert und sorgen für eine Erneuerung des Gewebes.“
Deutsches Krebsforschungszentrum, Magazin Einblick/ Claudia Eberhard-Metzger
Stand: 12.08.2011