Das Jahr 1451 nach Christus, Europa steht am Übergang vom tristen Mittelalter zur Neuzeit. Genau zu dieser Zeit werden drei Kinder geboren, die im Laufe ihres Lebens Geschichte schreiben: Isabella, die spätere spanische Königin, Christoph Kolumbus und Amerigo Vespucci. Letzterer erblickt am 9. März in Florenz das Licht der Welt. Bei ihm deutet jedoch zunächst nichts darauf hin, dass er irgendwann einmal eine ähnlich große Karriere „hinlegen“ wird, wie die beiden anderen.
Ziel: Geschäftsmann
Sein Vater Nastagio ist wohlhabend und klug. Dem versierten Seidenhändler gehört ein größeres Anwesen in der Stadt Peretola unweit von Florenz. Er hat aber für seinen Sohn keine großen Pläne. Nur ein erfolgreicher Geschäftsmann soll Amerigo irgendwann werden, das ist Nastagio Vespuccis Wunsch. Um die Ausbildung des jungen Amerigo kümmert sich nicht in erster Linie der Vater, sondern sein Onkel, der gebildete Dominikaner Giorgio Antonio Vespucci. Er sorgt dafür, dass sein Neffe all das lernt, was er braucht, um einen guten Job zu finden. Amerigo liest zudem viel und sammelt mit großem Eifer Bücher, aber auch Landkarten.
Hilfreich bei seiner beruflichen Karriere ist nicht nur, dass viele Verwandte aus dem Haus Vespucci in Florenz wichtige Posten innehaben, die Familie hat auch einen guten Draht zu den einflussreichen Medicis. Letztere sind seit langem die uneingeschränkten Herrscher von Florenz und für ihre erfolgreichen Geld- und Handelsgeschäfte berühmt. Im Laufe der Zeit sind sie dabei sogar zu einer der reichsten Familien im Italien des 15. Jahrhunderts aufgestiegen.
In Diensten der Medicis
Der mittlerweile 24-jährige Amerigo besucht zunächst Ende der 1470er Jahre in Gesellschaft seines Onkels Frankreich. 1482 tritt er dann jedoch in die Dienste der Medici ein und nimmt bei ihnen eine Stelle – vermutlich – als eine Art Bankkaufmann an. Während er in seinem Job endlose Zahlenreihen addiert, Finanzgeschäfte abwickelt und Konten prüft, widmet er sich in jeder freien Minute und in seinen Träumen, anderen, spannenderen Dingen. Bekannte Entdecker und Handlungsreisende haben es ihm angetan, er interessiert sich aber auch für die Seefahrt und die Kartographie.
Da kommt es ihm gerade recht, dass die Medicis im Jahr 1492 jemanden für ihre Geschäftsfiliale im spanischen Sevilla suchen. Ohne großartig zu zögern, nimmt Vespucci die Offerte an, bricht seine Zelte in Florenz ab und macht sich auf in die andalusische Metropole. Sevilla mausert sich zu der Zeit allmählich zum Zentrum des spanischen Seehandels, aber auch zum Mittelpunkt der spanischen Kunst.
Vespuccis Vision
Die neue Stadt, die neue Sprache und die neue Herausforderung ziehen Vespucci vollständig in ihren Bann. Unter der Obhut seines Vorgesetzten Giannotto Berardi, der nebenbei auch als Schiffsausrüster und Besitzer eines Handelshauses tätig ist, lernt Vespucci viele Seefahrer und Händler kennen. Der berühmteste von ihnen ist Christoph Kolumbus. Zusammen mit Berardi unterstützt er diesen in den Jahren 1493 und 1498 bei den Vorbereitungen zu seiner zweiten und dritten Reise über den Atlantik.
Die Reiseberichte von Kolumbus und anderen Entdeckern und die großen Reichtümer, die scheinbar überall auf der Welt auf ihn warten, nehmen Vespucci immer stärker gefangen. In ihm reift allmählich eine Idee, die sein ganzes Leben verändern wird: Er will zur See fahren und all diese geschilderten Wunderdinge mit eigenen Augen sehen. Und vielleicht fallen dabei ja auch noch ein bisschen Reputation und Reichtum für ihn ab…
Dieter Lohmann
Stand: 09.06.2011