Angesichts fehlender historischer Quellen und beträchtlicher Lücken in seinem Lebenslauf fällt es heute schwer, Amerigo Vespuccis Leistungen objektiv zu würdigen. War er nun ein bedeutender Entdecker? Oder doch eher ein Mitläufer? Hat er in seinen Reiseberichten gelogen, beziehungsweise maßlos übertrieben, oder sind sie authentisch? All diese Fragen sind selbst von Historikern heute wohl kaum mehr schlüssig zu beantworten.
Klar ist lediglich, dass die Vespucci zugeschriebenen Schriften zu seiner Zeit echte „Renner“ waren. Nicht zuletzt, weil darin spätmittelalterliche Tabuthemen wie Nacktheit oder Wollust aufgegriffen und sehr plastisch beschrieben wurden.
Zehn Millionen Dollar für eine Kopie
Amerigo Vespucci muss aber zu Beginn des 16. Jahrhunderts auch einen guten Ruf als Seefahrer und Wissenschaftler besessen haben. Denn sonst hätte ihm der damalige spanische König wohl kaum eine gut dotierte, lebenslange Stellung als „Piloto Mayor“ angeboten.
Für Vespucci spricht zudem ein „Deal“, den die Library of Congress (LoC) – die bekannteste Forschungsbibliothek der USA – im Jahr 2001 mit einer schwäbischen Adelsfamilie abgewickelt hat. Die LoC kaufte damals die weltweit einzige bis heute erhaltene Kopie von Martin Waldseemüllers Weltkarte aus dem Jahr 1507 Johannes Franz Xaver Graf zu Waldburg-Wolfegg und Waldsee ab – für erstaunliche zehn Millionen Dollar.
Revolutionäres Konzept der „Neuen Welt“
In ihrer Begründung für den Erwerb von „Amerikas Geburtsurkunde“ bestätigten die Experten der Library of Congress dann den wichtigsten Amerigo Vespucci zugeschriebenen Geniestreich: „Waldseemüllers Karte unterstützte Amerigo Vespuccis revolutionäres Konzept der ‚Neuen Welt‘ als separaten Kontinent, der bis dahin für die Europäer unbekannt war.“
Und weiter: „Die Karte stellte einen großen Wissensfortschritt dar […] und veränderte das Verständnis und die Wahrnehmung der Welt durch die Menschheit für immer.“
Dieter Lohmann
Stand: 09.06.2011