Wir schreiben das Jahr 2009, gut 60 Jahre nach den ersten erfolgreichen Einsätzen von Penicillin. In einem Krankenhaus in der südbrasilianischen Stadt Serra kämpft wieder eine junge Frau ums Überleben. Diesmal ist es die erst 20-jährige Mariana Bridi da Costa, ein durch die nationalen Miss-Wahlen in ihrem Land bekannt gewordenes Model. Aus einer vermeintlich harmlosen Harnwegsentzündung hat sich eine Infektion des gesamten Körpers mit dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa entwickelt.
Eigentlich ein Allerweltskeim, der in Boden und Gewässern vorkommt, ist Pseudomonas ein besonders anpassungsfähiger Überlebenskünstler. Er trotzt selbst Desinfektionsmitteln und kann noch kleinste Spuren organischer Substanzen als Nahrung nutzen. Im Krankenhaus ist das stäbchenförmige Bakterium, einmal eingeschleppt, kaum mehr zu beseitigen. In Deutschland gehört es daher inzwischen zu den häufigsten Krankenhauskeimen, zehn Prozent aller Krankenhausinfektionen gehen auf sein Konto.
Immun gegen gängige Antibiotika
Das Schlimme daran: Gegen viele Stämme von Pseudomonas aeruginosa wirken die Standardwaffen der Mediziner nicht mehr. Die Bakterien sind gegen gängige Antibiotika resistent. So auch im Falle der jungen Brasilianerin. Wochenlang kämpfen die Ärzte um ihr Leben, probieren ein Antibiotikum nach dem anderen und müssen am Ende sogar ihre Hände und Füße amputieren, um die schlimmsten Folgen der Infektion einzudämmen. Doch alles vergebens: Ende Januar 2009 stirbt Mariana Bridi da Costa. Die Medizin hat den Kampf um ihr Leben verloren – gegen einen Feind, der doch längst als besiegt galt.
Kein Einzelfall
Der Tod von Bridi da Costa ist kein Einzelfall und auch keine Folge ungenügender medizinischer Versorgung in einem Schwellenland. Nur wenige Jahre zuvor infizierte sich in den USA ein Krankenhauspatient mit schweren Brandwunden ebenfalls mit Pseudomonas aeruginosa. Auch er starb trotz aller Bemühungen der Ärzte, weil der Erregerstamm gegen nahezu alle zur Verfügung stehenden Antibiotikaklassen unempfindlich geworden war. Egal was die Mediziner testeten, nichts zeigte Wirkung.
„Dies ist genau die Art von antimikrobiellem Empfindlichkeitsmuster, das Ärzte fürchten. Unglücklicherweise wird es immer häufiger“, erklärt Fred Tenover von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta. „In vielen Gesundheitseinrichtungen weltweit sind bakterielle Pathogene, die mehrfache Resistenzmechanismen besitzen, bereits zur Norm geworden. Das macht die Behandlung komplizierter und erhöht die Anzahl der Todesfälle und die finanziellen Lasten für die Gesundheitssysteme.“
Zehntausende Todesfälle jährlich
In Europa infizieren sich jährlich mehrere hunderttausend Menschen mit einem resistenten Erreger, einige zehntausend sterben daran. In New York City ist der Anteil der Tuberkulosefälle, die nicht mehr mit den gängigen Antibiotika behandelt werden können, innerhalb weniger Jahre auf knapp 25 Prozent gestiegen. Insgesamt lagen die Mehrkosten für die Behandlung von Patienten mit multiresistenten Keimen nach Schätzungen einer in „Health Economics“ erschienenen Studie in den USA bereits Ende der 1990er Jahre bei vier bis sieben Milliarden US-Dollar pro Jahr, inzwischen hat sich die Zahl der Infektionen und die Menge der Resistenzen vervielfacht.
Nadja Podbregar
Stand: 17.09.2010