Da alle Welt an die magische Wirkung der Edelsteine glaubte, konnte sich auch das aufstrebende Christentum nicht dagegen wehren, das der Mythos der Edelsteine in ihrem Gedankengut und ihren religiösen Anschauungen erhalten blieb.
Die Kirchenfürsten des Mittelalters tolerierten die Meinung des Volkes, das von Alters her fest an die übernatürliche, magische Wirkung der Steine glaubte, und erlaubten das Verwenden von Steinen in Amuletten und Talismanen. Allerdings durften keine heidnischen Rituale damit verbunden werden. Ganz im Gegenteil: Die Kirche baute Edelsteine in die Insignien der Macht und die Zeremonien zur Verehrung Gottes ein. Die Tiara und Mitra von Papst und Bischöfen sind noch heute mit wertvollen Edelsteinen besetzt. Angebliche heilende Kräfte, die den Steinen angeblich innewohnten, führten die Religionsgelehrten damals auf das Wirken Gottes zurück.
Kein Wunder, dass Edelsteine auch in der Bibel an vielen Stellen auftauchen. Berühmt geworden ist zum Beispiel die Johannes-Offenbarung mit der Beschreibung der Schönheit des Himmlischen Jerusalems, die vor allem auf dessen Reichtum an Edelsteinen wie Jaspis, Smaragd, Topas und Amethyst beruht. Auch den 12 Aposteln wurden Kristalle zugeordnet. Zu Thomas gehörte beispielsweise der Saphir, zu Batholomäus der Amethyst.
Die vielleicht wichtigsten und bekanntesten Steingelehrten des frühen Mittelalters im waren Isidor von Sevilla im sechsten Jahrhundert und der Mönch Marbod von Rennes um 1100 nach Christus.
Die berühmte Schrift des Benediktiners Marbod „Liber lapidum seu de gemmis“, in dem er 60 verschiedene Minerale und ihre angeblichen Wunderwirkungen beschrieb, wurde zu einem frühen Bestseller der Literaturgeschichte.
Die Heilkraft der Steine war darin – politically correct – natürlich von Gott erzeugt und dem Menschen als Segen zur Verfügung gestellt. Darüberhinaus fand sich in den damaligen Betrachtungen über die medizinischen Wirkungen der Steine eine bunte Mixtur aus heidnischen und christlichen Ideen und Vorstellungen.
Stand: 04.11.2002