Frühjahr 1491. Diaz hat vor drei Jahren das Kap der guten Hoffung umsegelt. Als dann noch der Bote des Abenteurers de Covilhao mit dem Bericht über dessen Entdeckungen aus Kairo am Hofe des portugiesischen Königs eintrifft, scheint der Weg nach Indien endgültig frei. Das Ziel aller Träume, das Land wo der Pfeffer wächst – oder zumindest gehandelt wird, scheint in direkter Reichweite. Mit der Aussicht auf die verlockenden Reichtümer, die in Indien auf die Portugiesen warten, müsste Johann II. eigentlich schleunigst die nächste Expedition auf die Reise schicken. Aber nichts der gleichen geschieht.
Fast 10 Jahre vergehen ungenutzt. Zu sehr hat Portugal mit dem Krieg mit Kastilien und später dem Tod des Königs zu tun, um an die Planung neuer Entdeckungsfahrten denken zu können. Um so erstaunlicher, dass den Portugiesen in dieser Zeit keine andere Macht in Europa bei dem Versuch zuvorkommt, die Vorherrschaft im Gewürzhandel mit Indien zu erobern. Zwar entdeckt Kolumbus 1492 für Spanien die „westindischen Inseln“, in die Gewürzländer dringt aber auch er noch nicht vor. Zudem löst sich seine Indien-Vision mit der Zeit immer mehr in Nichts auf, obwohl Kolumbus selbst bis an sein Lebensende fest daran glaubt. Der östliche Seeweg um das Kap der Guten Hoffnung herum, die bevorzugte Route der Portugiesen, liegt in der dieser ganzen Zeit völlig brach.
Erst als der neue König Emanuel I. 1495 den Thron besteigt, gibt es neue Impulse für die Suche nach dem Seeweg nach Indien. Gegen den ausdrücklichen Rat der Weisen und Gefolgsleute entschließt er sich schon bald nach seiner Krönung, eine Expedition auszurüsten. Emanuel I. beauftragt zunächst den erfahrenen Kapitän Bartolomeu Diaz damit, Schiffe bauen zu lassen, die den Stürmen am Kap der Guten Hoffnung und allen anderen Unwägbarkeiten der langen Reise standhalten können. Wer aber soll die Mission leiten, von der sich Portugal Ruhm, Reichtum, die Vorherrschaft auf den Meeren und den Aufstieg zur Weltmacht erhofft?
Entgegen allen Erwartungen ist es schließlich nicht Diaz, der vom Regenten den Zuschlag erhält, sondern der bisher in der Seefahrt kaum in Erscheinung getretene Vasco da Gama. Die Gründe für diese Entscheidung Emanuels sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Vielleicht meint der König, dass für sein Vorhaben eher ein Diplomat und kriegserfahrener Soldat von Bedeutung ist als ein erfahrener Seemann – die Route ist ja größtenteils bekannt. Es kann aber auch sein, dass da Gama den Auftrag lediglich von seinem Vater oder Bruder erbt, die über weit mehr Erfahrung auf dem Meer verfügen als er.
Immerhin – so wird sich gut ein Jahr später herausstellen – hat der König bei der Entscheidung Vasco da Gama zu nominieren ein goldenes Händchen bewiesen und seinem Spitznamen „Emanuel – der Glückliche“ wieder einmal alle Ehre gemacht. Am 20. Mai 1498 geht Vasco da Gama tatsächlich in Kalikut an der indischen Malabarküste vor Anker, der Seeweg nach Indien ist entdeckt…
Stand: 26.06.2001