1992 landete ein Flugzeug in den USA. An Bord: Eine der furchteinflößendsten Infektionskrankheiten der Welt – Cholera. Eingeschleppt wurde die Krankheit über einen Zwischenstopp zum Tanken in Peru. Die Cholera schlägt so schnell zu, dass ein morgens noch kerngesunder Mensch am Abend bereits im Sterben liegen kann. Im Allgemeinen tritt die Krankheit auf der Nordhalbkugel nicht mehr auf, aber es gibt eben auch Ausnahmen. Die aktuell noch anhaltende Welle der Cholera-Erkrankungen gerade in sehr armen Ländern mit begrenzten Trinkwasservorräten ist die siebte große Epidemie, die die Menschheit heimsucht.
Über Peru gelangte der Erreger in die USA. Aber wie kam es zu dem Cholera-Ausbruch in Peru? Stark begünstigt wurde die Verbreitung der Krankheit mit Sicherheit durch die Einstellung der Chlorierung des Trinkwassers – weil man Angst hatte, das Chlor könne in Verbindung mit Huminstoffen aus dem Boden krebserregend wirken. Möglicherweise wurde durch diese Maßnahme das Krebsrisiko tatsächlich gesenkt. Mit Sicherheit aber wurde die Ausbreitung des Cholera-Keimes nur noch unzureichend verhindert.
Ein anderes Beispiel bietet der Cholera-Ausbruch 1973 in Neapel. In der Regel werden eingeschleppte Erreger in den Industrienationen schnell und effektiv mit Antibiotika bekämpft, hier aber konnte sich die Seuche ausbreiten. Eine der Hauptursachen lag darin, dass die Ärzte in sich kaum mehr mit scheinbar antiquierten Krankheiten oder fernen Tropenkrankheiten auskannten. Statt der Cholera vermuteten sie ein unbekanntes Virus.
Beide Beispiele machen deutlich, dass eine Möglichkeit zur Behandlung der Cholera nicht dazu verführen darf, die Wachsamkeit in Bezug auf diese und andere besiegt geglaubte Krankheiten schleifen zu lassen. Denn viele Krankheiten können heute zwar geheilt oder durch entsprechende Impfungen vermieden werden, trotzdem sterben jährlich einige Millionen Menschen daran. Dabei ist die Behandlung meist nicht einmal teuer. Inklusive Transport, Kühlung und Verabreichung durch Fachpersonal könnten alle Menschen für jeweils weniger als 20 Mark gegen Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus geimpft werden. Aber nicht einmal das können sich die Eltern von jährlich 26 Millionen Neugeborenen leisten. Weltweit würden die wichtigsten Impfmaßnahmen ungefähr 700 Millionen Dollar pro Jahr kosten. Das ist zwar eine Menge Geld, aber andererseits konnte allein die Firma Microsoft im letzten Quartal einen Umsatz von rund 86 Millionen Dollar pro Arbeitstag verzeichnen.
Nichtzuletzt dank finanzieller Probleme sind die Infektionskrankheiten daher wieder auf dem Vormarsch. So gilt Diphtherie beinahe als ausgerottet, doch ein Nachlassen der präventiven Maßnahmen kann schnell ein Wiederaufkeimen der Seuche zur Folge haben. Selbst an einer Krankheit wie Masern sterben jährlich noch über 700.000 Kinder, obwohl die Zahl der Todesfälle durch Impfungen um 95 Prozent gesenkt werden könnte. Und um beim Beispiel der Cholera zu bleiben: Erst im April diesen Jahres wurde ein Fall von Cholera in Frankreich gemeldet. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Opfern, die der Krankheit in Kenia oder Somalia zum Opfer fielen.
Die Gefahr geht also nicht nur von neuen Krankheiten wie Aids oder Ebola aus, sondern verstärkt wieder von klassischen Infektionskrankheiten wie Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Masern, Kinderlähmung, Tuberkulose, Hepatitis B, Gelbfieber oder Influenza. Das Zeitalter der großen Seuchen ist keineswegs vorbei.
Stand: 15.06.2000