Energie

Magnetfeld oder Trägheitsprinzip?

Konkurrierende Ansätze der Fusionsforschung

In der Frage, wie sich die technischen Probleme der Fusion am besten lösen lassen, gibt es zur Zeit für jeden Aspekt mindestens zwei verschiedene Antworten. Einer der Punkte an dem sich die Geister der Fusionsforscher am deutlichsten scheiden, ist die Art der Plasmahaltung. Da kein festes Material auf Dauer dem Millionen Grad heißen ionisierten Gas standhalten kann, müssen sich die Forscher andere Methoden einfallen lassen, um das Plasma zusammenzuhalten und es gleichzeitig gegen Abkühlung zu isolieren.

Magnetische Feldlinien im Torus von JET © FZ Jülich

Unsichtbares Gitter…

Seit den 50er Jahren versuchen Plasmaphysiker dies mithilfe starker Magnetfelder zu erreichen. Ulrich Samm, Direktor des Jülicher Instituts für Plasmaphysik (IPP) erklärt warum das funktionieren kann: „Die frei beweglichen negativen Elektronen und positiven Atomkerne geben dem Plasma die Eigenschaft eines elektrischen Leiters. Wo sich Ladungsträger bewegen entstehen immer auch magnetische Felder und umgekehrt beeinflussen Magnetfelder auch den Stromfluss.“

Auf genau dieser doppelten Wechselwirkung beruht auch das Prinzip des magnetischen Plasmaeinschlusses: Ein durch starken Strom erzeugtes Magnetfeld bildet für das in ihm eingeschlossene Plasma eine undurchdringliche Barriere – einen Käfig aus unsichtbaren Magnetfeldlinien. Gleichzeitig heizt der Strom das Plasma auf und bringt es – im Idealfall – bis zur Zündungstemperatur.

Von genau diesem Idealfall ist man allerdings zur Zeit noch weit entfernt. Zwar zeigen erste Versuche mit magnetischen Plasmagefängnissen, dass Plasma mit dieser Methode prinzipiell sowohl erhitzt als auch gehalten werden kann, die Anlagen sind jedoch viel zu klein, um einem funktionierenden und vor allem effektiven Fusionsreaktor auch nur im entferntesten nahe zu kommen. Kein Wunder, sind doch schon für die einfachen Anlagen Kräfte nötig, die das irdische Magnetfeld um das 100.000fache übertreffen. Entsprechend gewaltig fallen auch die Dimensionen solcher Magnete aus: Die supraleitenden Magnetspulen des für die Zukunft geplanten internationalen Forschungsreaktors ITER sollen 1300 Tonnen wiegen und eine Höhe von jeweils 36 Metern haben.

Durch Trägheit ausgetrickst

Während sich vor allem die europäischen Fusionsforscher damit herumschlagen, das im kleinen funktionierende Prinzip nun auch auf einen großtechnischen Maßstab zu übertragen, setzen amerikanische Plasmaphysiker auf eine andere Strategie.

Trägheitsprinzip der Fusion © General Atomics

Als Alternative zur Magneteinschlussfusion stellten sie 1999 ihr Konzept der Trägheitsfusion vor. Provokanter Titel des Artikels im Wissenschaftsmagazin Science: „Eine Zukunft ohne ITER“. Dabei griffen die Wissenschaftler auf das Prinzip der Wasserstoffbombe zurück: Ein winziges Kügelchen aus Deuterium und Tritium wird sehr schnell extrem stark verdichtet. Der plötzliche Druck erzeugt genügend Energie, um die Fusionsreaktion zu starten.

Starke Magnetfelder oder andere äußere Kräfte, um das Plasma zusammenzuhalten sind bei dieser Methode nicht nötig, entscheidend ist allein die Geschwindigkeit des Prozesses. Die Teilchen des Plasmas unterliegen, wie alle Materie, der Trägheit. Auf einen Impuls hin setzen sie sich daher erst mit einer winzigen Verzögerung in Bewegung. Genau auf diese Verzögerung setzt die Trägheitsfusion: Bevor die Teilchen des durch einen Energiestoß von außen erhitzten Plasmas entweichen können, sind sie schon in der Fusionsreaktion verbrannt. Entsprechend dauert der ganze Prozess nur den Milliardsten Bruchteil einer Sekunde.

Aber auch hier gibt es Probleme, das Prinzip technisch nutzbar zu machen – allerdings unter umgekehrten Vorzeichen wie bei der Magnetfeldtechnik: Was in den großen Dimensionen einer Wasserstoffbombe ohne Probleme funktioniert, da eine Atombombe die nötige Zündungsenergie liefert, ist nur schwer auf Labor oder Kraftwerksmaßstäbe herunterzubrechen. „Die Trägheitsfusion hat ihre physikalische Machbarkeit längst bewiesen, doch es fehlen noch viele Schritte zu einem energieliefernden Reaktor.“, kommentiert Prof. Karl Lachner vom Max-Planck Institut für Plasmaphysik das Dilemma. Bisher ist es keinem der Versuchsansätze gelungen, auch nur annähernd die für die Zündung benötigten Temperaturen zu erreichen…

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. 10
  22. |
  23. 11
  24. |
  25. weiter


Stand: 26.03.2000

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Kernfusion
Teure Utopie oder Energie der Zukunft?

Energie aus dem Inneren der Sterne
Das Prinzip der Kernfusion

Prometheus' Hürdenlauf
Das Sonnenfeuer auf die Erde holen...

Magnetfeld oder Trägheitsprinzip?
Konkurrierende Ansätze der Fusionsforschung

Laser, Röntgenstrahlen oder Ionenbeschuss?
Auf der Suche nach der zündenden Technologie

Schnelle Teilchen im Käfig
Tokamak und Stellarator

Zerstörerischer Kontakt
Die Suche nach einer haltbaren Brennkammerwand

Strahlender Mantel gegen überirdische Hitze
Das Prinzip der Strahlungskühlung

Mit Iter zum magischen "break-even-point"
Ohne Effektivität kein Fusionskraftwerk

Kernfusion - eine "saubere" Energie?
Sicherheit und Entsorgung bei Fusionsreaktoren

Zukunftsmusik
Kernfusion als Lösung aller Energieprobleme?

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema