Sicher und sauber soll sie sein, die Fusion als Energie der Zukunft – so jedenfalls betonen es die Fusionsforscher und Befürworter der neuen Technologie. Aber ist dem wirklich so?
Zumindest was die ganz großen Sicherheitsprobleme betrifft, trifft dies sicher zu: Obwohl auch ein Fusionsreaktor mit einem radioaktiven Brennstoff, dem Tritium, läuft, kann er aus physikalischen Gründen nicht außer Kontrolle geraten. Es gibt keine so schnelle Kettenreaktion, die sich aufschaukeln könnte. Fällt die Kühlung des Reaktors aus, Fusionsreaktion kommt von selbst zum erliegen. Ein Super-GAU oder ein Unfall wie in Tschernobyl wären daher unmöglich. Ein weitere Vorteil ist die erheblich kürzere Halbwertszeit der radioaktiven Brennstoffe: Während es bei Plutonium oder Uran hunderte oder tausende von Jahren dauert, bis sich ihre Strahlung auch nur um die Hälfte verringert hat, hat Tritium gerade einmal eine Halbwertszeit von 12,3 Jahren.
Ungefährlich oder völlig risikolos ist ein Fusionsreaktor dennoch nicht: Das Wasserstoffisotop Tritium ist extrem leicht und kann durch kleinere Lecks entweichen und sich in Metallen oder anderen Materialien einlagern. Die von ihm ausgehende Beta-Strahlung läßt sich zwar leicht abschirmen, gelangt sie aber durch Einatmen oder die Aufnahme mit der Nahrung in den Körper, kann sie lebende Zellen schädigen. Das Tritium wird dort in Wassermoleküle eingebaut und erst nach durchschnittlich 20 bis 550 Tagen wieder ausgeschieden.
Auch die bei der Fusion entstehenden Neutronen können indirekt zur Quelle radioaktiver Strahlung werden: Prallen sie auf die Wände der Brennkammerwand, aktivieren sie deren Material und können sie dadurch radioaktiv machen. Ähnliches gilt auch für Spulen, Zu- und Ableitungen und das gesamte Stützgerüst des Reaktors. Unter dem Einfluss der Neutronenstrahlung bilden sich vor allem in den metallischen Komponenten teilweise auch langlebige radioaktive Stoffe. Da diese Bauteile bei einem Reaktorbetrieb relativ häufig ausgetauscht und erneuert werden müssten, fallen regelmäßig verseuchte Abfälle an.
Es ist geplant, den gesamten radioaktiven Müll für Jahrzehnte im Reaktorgebäude selbst zwischenzulagern. Theoretisch könnte man dem Abfall dort durch Wiederaufbereitung den größten Teil des Tritiums wieder entziehen und damit die Strahlungsintensität absenken, dafür wäre allerdings eine betriebseigene Wiederaufbereitungsanlage nötig. Immerhin würde bei 90 Prozent des Abfalls die Radioaktivität nach 50 Jahren bereits so weit abgeklungen sein, dass er ohne Bedenken in die Umwelt freigesetzt werden könnte. Die restlichen zehn Prozent müssten mindestens 100 Jahre in unterirdischen Endlagern aufbewahrt werden.
Insgesamt würde ein Fusionsreaktor bei einer Laufzeit von 30 Jahren 16.000 Tonnen Abfall produzieren, bei seinem Abriss kämen noch einmal mehr als die doppelte Menge hinzu. Von der anfallenden Abfallmenge unterschiedet sich damit ein Fusionsreaktor nicht von einem Kernkraftwerk, zu diesem Schluss kam 1995 auch eine Studie der Europäischen Kommission.
Wenn auch ein Fusionsreaktor im Vergleich mit einem Kernkraftwerk sicher das „kleinere Übel“ wäre, ohne Risiken und radioaktive Abfälle kommt auch er nicht aus. Die vermeintlich „saubere“ Energie hat einige Flecken.
Stand: 26.03.2000