Biotechnologien

Empfehlungen, Verfahren und gute Vorsätze…

Wie gehen deutsche Organisationen gegen schwarze Schafe vor?

Aufgeschreckt durch die Betrugsfälle der jüngsten Zeit wurden die deutschen Wissenschaftsorganisationen aktiv: Die DFG verabschiedete noch 1997 Empfehlungen der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“, die Max- Planck-Gesellschaft legte ebenfalls ein „Verfahren bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten“ fest und auch die Deutsche Physikalische Gesellschaft beschloss einen „Verhaltenskodex für Mitglieder“.

Alle diese Papiere und Beschlüsse legen allerdings nur noch einmal fest, was eigentlich bisher als Selbstverständlichkeit und fester Bestandteil der wissenschaftlichen Ethik galt, aber offensichtlich von vielen ignoriert wurde: Die Qualität wissenschaftlichen Arbeitens soll nach Ansicht der DFG künftig weniger an der Quantität der Veröffentlichungen als vielmehr an ihrer Qualität gemessen werden. „Es darf nicht mehr als fein gelten, wenn ein Wissenschaftler in wenigen Jahren Hunderte von Publikationen vorweist“, kommentiert Ulrike Beisiegel, Mitglied der DFG-Kommission die Beschlüsse.

Künftig soll daher ein Bewerber um eine wissenschaftliche Stelle nicht mehr die gesamte Liste seiner Publikationen vorlegen müssen, sondern lediglich eine Auswahl der zehn wichtigsten Artikel. Auch die Größe der Arbeitsgrupen möchten manche beschränkt sehen, um eine größere Überschaubarkeit und Selbstkontrolle innerhalb der Gruppen zu schaffen.

Zudem soll auch die sogenannte „Ehrenautorschaft“ jetzt stärker reglementiert werden. Bisher war es dabei durchaus üblich, dass ein Arbeitsgruppenleiter oder Institutsdirektor seinen Namen als Mitautor auf eine Veröffentlichung setzen ließ, ohne an der Publikation beteiligt gewesen zu sein oder sie genau zu kennen. Stellten sich die publizierten Daten dann als Fälschung heraus, lehnten diese „Ehrenautoren“ häufig jede Verantwortung ab. In Zukunft, so die Empfehlungen der DFG, sollen dagegen auch die Ehrenautoren für den Inhalt einer Publikation haften und so zu mehr Wachsamkeit und Kontrolle gegenüber ihren Arbeitsgruppen angeregt werden.

Wenngleich Vorschläge dieser Art durchaus einigen der Mißstände im Wissenschaftsbetrieb abhelfen könnten, fehlt es doch bisher an konkreteren Umsetzungsvorschlägen und Richtlinien. Auch die Frage, wie die Aufklärungsrate bei Manipulationen erhöht werden könnte, ist bisher noch nicht gelöst. Noch immer müssen gerade junge Wissenschaftler um ihre Karriere fürchten, wenn sie fragwürdige Praktiken ihrer Arbeitsgrupe melden.In vielen Fällen steht kein außenstehender Ansprechpartner zur Verfügung und die Verflechtungen des Wissenschaftsbetriebes sorgen nur allzu oft dafür, dass Skandale und Unregelmäßigkeiten vertuscht werden.

Unter den momentan herrschenden Umständen sind ohnehin nur die wenigsten Wissenschaftler überhaupt bereit, sich selbst zu exponieren, indem sie wissenschaftliches Fehlverhalten eines Kollegen aufdecken. In einer Studie aus dem Jahr 1992 wurden mehr als 2000 junge Mediziner befragt, ob sie ihre Kollegen bei unethischem Verhalten melden würden. Ginge es um eine Verfälschung von Daten, bejahten nur 15 Prozent der Ärzte diese Frage, bestand das unethische Verhalten allerdings im Plagiat oder einer unberechtigten Koautorschaft, waren immerhin 35 Prozent der Befragten bereit, den betreffenden Kollegen anzuzeigen.

Insgesamt bleibt der Erfolg der zahlreichen „Empfehlungen“ und „Richtlinien“ eher fragwürdig. Solange in der Öffentlichkeit wissenschaftliches Fehlverhalten noch als Tabu gilt und Skandale eher heruntergespielt werden, muß sich die Wissenschaft die Frage stellen lassen, ob sie ernsthaft an der Aufklärung von solchen Betrugsfällen interessiert ist. Die zahlreichen aber unverbindlichen Empfehlungen vermitteln eher den Eindruck, als solle damit vor allem das angeschlagene Image der Forschung wieder zurechtgerückt werden. Die DFG erklärt denn auch folgerichtig: Man wolle „vor allem die Aufmerksamkeit demonstrieren, die die Wissenschaft ihrer eigenen Selbstkontrolle schenkt.“

Menschlicher Eigennutz und Karrierestreben können wie in jedem System auch in der Forschung zu Mißbrauch und Manipulationen führen. Erst wenn dies als völlig normale und systembedingte Begleiterscheinung verstanden und behandelt wird, haben Reflexion und Selbstkontrolle in der Wissenschaft vielleicht eine echte Chance zu funktionieren.

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Stand: 13.02.2000

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Inhalt des Dossiers

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