Während Shackleton noch in der Eiswüste der Antarktis ums Überleben kämpft, erreicht der Amerikaner Robert Peary am 6. April 1909 als erster den Nordpol. Da damit im Norden keine Lorbeeren mehr zu gewinnen sind, richtet sich die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit nun auf den Süden. Beinahe gleichzeitig beginnen nun mehrere Nationen, Expeditionen zum Südpol auszurichten: Der Amerikaner Peary, gerade erst aus der Arktis zurückgekehrt, kündigt an, er wolle den Südpol vom Wedellmeer aus erobern, eine ähnliche Route plant auch der deutsche Polarforscher Wilhelm Filchner. Der Franzose Jean-Baptiste Charcot erkundet Gebiete im Grahamland und die Japaner, angeführt von Leutnant Nobu Chirase planen ebenfalls eine Expedition.
Südpol weckt Interesse
Auch der Brite Robert Scott, der bei seinem ersten Versuch 1901 gescheitert war, kündigt 1909 einen weiteren Anlauf an: „Das Hauptziel der Expedition ist es, den Südpol zu erreichen und dem britischen Empire die Ehre dieser Eroberung zu sichern.“ Auf diese Verlautbarung hin melden sich 8000 Freiwillige, die an der Expedition teilnehmen wollen.
Ein Jahr lang bereitet sich Scott auf sein großes Ziel vor, testet neu entwickelte Motorschlitten, wählt Ponies aus und sammelt Geld für ein Schiff und die Ausrüstung der Expedition. Er verzichtet fast völlig auf Schlittenhunde und verläßt sich stattdessen auf bisher noch nie eingesetzte Motorschlitten und Pferde. Scott begründet seine Entscheidung damit, dass “ keine Reise mit Hunden der Herausforderung und Ehre gleich kommt, die Männer erringen, die aus eigener Kraft allen Widrigkeiten trotzen.“ Diese noble aber wenig praktische Ansicht sollte sich später als erhebliches Handicap für Scotts Team erweisen. Am ersten Juni 1910 verläßt die „Terra Nova“ mit Scott an Bord unter lautem Jubel der Menschenmenge die Londoner Südwest-Indien Docks.
Der Aufbruch: ruhig und unbeobachtet
Nur zwei Monate später verläßt der polarerfahrene Norweger Roald Amundsen den Hafen von Christiania, angeblich Richtung Norden. „Ruhig und unbeobachtet,“, so schreibt er in seinem Tagebuch, „verließen wir den Fjord.“ Dass das eigentliche Ziel der Reise Antarktis lautet, wissen ausser ihm nur sein Bruder Leon und der Kommandant des Schiffes. An Bord der Fram, einem von Fridjof Nansen geliehenen Schiff, hat Amundsen 97 Grönlandhuskies, eine zerlegte Überwinterungshütte und Proviant für zwei Jahre.
Als Scott am 12. Oktober Melbourne erreicht, wird ihm ein Telegramm übergeben: „Erlaube mir, Sie von unserer Weiterfahrt in die Antarktis zu unterrichten. Amundsen, Madeira, 9.September“. Scott ist zwar von dieser Herausforderung beunruhigt, beschließt aber, seine ursprünglichen Pläne nicht zu ändern. Am 4. Januar erreicht er die Ross Insel im McMurdo Sund und Richtet bei Cape Evans sein Überwinterungs- und Basislager ein.
Nur zehn Tage später betritt auch Amundsen antarktischen Boden – in der 650 Kilometer weiter westlich gelegenen Walbucht. Außer Amundsen hätte vermutlich kein Forscher daran gedacht, ausgerechnet hier sein Basislager zu errichten, da von der Kante des Ross-Schelfeises regelmäßig Eisberge abbrechen und die Region allgemein als instabil und zu riskant eingestuft wird. Doch Amundsen hat Shackletons Berichte genau studiert und festgestellt, dass die Eisfront in der Walbucht über längere Zeiträume fast unverändert geblieben ist. Für ihn zählt vor allem, dass die Walbucht nicht nur 100 Kilometer näher am Südpol liegt, sondern auch, dass der Weg dorthin über die relativ ebene Oberfläche des Schelfeises führt.
Amundsen und sein Team legen bis zum Einbruch des Winters an jedem Breitengrad bis zum 82. Grad ein Depot mit Nahrungsmitteln für Menschen und Hunde an. Damit müssen sie nur die letzten 370 Kilometer bis zum Pol ohne Versorgung von außen auskommen. In Gegensatz dazu kann Scott bis zum Winter nur ein einziges Vorratslager 56 Kilometer nördlich der geplanten Position am 80. Breitengrad errichten. Schuld daran sind die Ponys, die ständig im tiefen Schnee versinken und als Tragtiere praktisch unbrauchbar sind.
Nach diesen Vorbereitungen auf die eigentliche Polexpedition ziehen sich beide Teams erstmal zur Überwinterung in ihre Basislager zurück.
Stand: 15.01.2000