Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung „Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) hat in seinem Jahresgutachten 1997 „Welt im Wandel: Wege zu einem nachhaltigen Umgang mit Süßwasser“ zahlreiche Vorschläge zur Lösung der globalen Süßwasserkrise vorgelegt, die das Konfliktpotential der Ressource Wasser erheblich mindern könnten. Die wichtigsten sollen hier kurz vorgestellt werden:
Globaler Verhaltenskodex
Dazu schlagen die Wissenschaftler der Bundesregierung vor, eine „Weltwassercharta“ zu initiieren, die die internationale Gemeinschaft politisch auf die Bewältigung der Süßwasserkrise und auf gemeinsame Prinzipien zu einem „guten Umgang“ mit Wasser verpflichtet. Ein solcher Verhaltenskodex sollte allen Regierungen, Kommunen, internationalen Organisationen und nicht-staatlichen Verbänden zur Zeichnung offenstehen.
Aufbauend auf der „Weltwassercharta“ sollte nach den Vorstellungen der Wissenschaftler ein „Globales Aktionsprogramm“ zur detaillierten Ausgestaltung und Umsetzung der vereinbarten Prinzipien entwickelt werden. Ein solches Aktionsprogramm ist international nur mit Hilfe einer durchsetzungsfähigen Organisation umsetzbar.
Daher fordert der WBGU, im Rahmen der Vereinten Nationen die vorhandenen Umwelt- und Entwicklungsinstitutionen und -programme in einer gestärkten „Organisation für nachhaltige Entwicklung“ zu konsolidieren. In dieser Organisation könnten das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), die Kommission zur nachhaltigen Entwicklung (CSD) und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) koordinierend gebündelt werden.
Krisenfester Finanzierungsmechanismus
Zur Finanzierung eines solchen Aktionsprogrammes empfiehlt der WBGU der Bundesregierung die Einrichtung eines international unterstützten und krisenfesten Finanzierungsmechanismus zu prüfen, beispielsweise durch die Erhebung eines „Weltwasserpfennigs“. Damit könnte ein zeitlich begrenzter „globaler Wasserfonds“ gespeist werden, um die von Süßwasserknappheit betroffenen und finanziell überforderten Regionen zu unterstützen.
Schwerpunkte sollten die Modernisierung der bestehenden Bewässerungssysteme in der Landwirtschaft und die Sanierung und Erweiterung von Wasserversorgungssystemen (Trinkwasser, Abwasser, Rezyklierung) sein. Entwicklungsländern mit Süßwasserknappheit sollte bei der Reduzierung des Schuldendienstes geholfen werden. Dies könnte beispielsweise durch den sogenannten „Schulden-Tauschhandel“ geschehen. Dabei sollen die einem Entwicklungsland erlassenen Schulden dort in gleicher Höhe für wasserpolitische Maßnahmen eingesetzt werden („debt for water security swaps“).
Knappe Ressource
Gutes Süßwasser wird zunehmend knapper. Daher sollte die Bundesregierung bei der weltweiten Durchsetzung des Rechts auf Wasser aktiv mitwirken. Hierzu müßte der freie Zugang zu Süßwasser sowie der Mindestbedarf an Süßwasser flächendeckend gewährleistet sein. Der Beirat empfiehlt, dieses Ziel über die Zuweisung von „Wassergeld“ – analog zum Wohngeld in Deutschland – oder über kostengünstige Tarife für die zur Grundversorgung des Menschen notwendige Mindestwassermenge zu erreichen.
Nach Ansicht des Expertengremiums ist eine verbesserte Effizienz und Effektivität der Wassernutzung weltweit besonders wichtig. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, daß sich in allen Ländern verläßliche und effizient arbeitende Wasserver- und -entsorgungssysteme bilden können. Dabei sollten die Preise für Süßwasser grundsätzlich auch die Knappheit dieses Gutes widerspiegeln. Allerdings müssen gleichzeitig die Grundversorgung der Menschen mit Süßwasser und die ökologischen Mindestanforderungen gewährleistet sein. Der Beirat ist der Auffassung, daß diese Ziele am besten durch die Einrichtung von „Wassermärkten“ umgesetzt werden könnten. Auf lokaler und regionaler Ebene kommen auch Genossenschaften in Frage. Die deutsche Wasserwirtschaft ist nach Ansicht der Wissenschaftler dafür kein Vorbild, da sie sich als nicht exportfähig erweist.
Friedenssicherung fördern
Der Beirat erwartet eine Zunahme internationaler Konflikte um Süßwasser. Die Bundesregierung sollte daher Pilotprojekte zur friedenssichernden Nutzung von grenzüberschreitenden Süßwasserressourcen fördern und Vermittler bereitstellen. Bei der von Deutschland gestützten Änderung der Satzung der Vereinten Nationen im Rahmen der beantragten Mitgliedschaft im Sicherheitsrat müssen – wie bereits von Deutschland auf der UN-Sondergeneralversammlung in New York gefordert – Bestimmungen zur nachhaltigen Entwicklung aufgenommen werden. Auch ratsam wäre es, Kriterien für eine nachhaltige Süßwassernutzung stärker in internationale Handels- und Kreditvereinbarungen einzubinden, beispielsweise bei der WTO, der Weltbank oder im Rahmen von Hermesbürgschaften.
Umweltwissen erweitern
Der nachhaltige Umgang mit Süßwasser erfordert mehr Umweltwissen. Daher müssen nach Ansicht des Expertengremiums die Probleme der Süßwassernutzung und damit zusammenhängender Lebensstile bewußt gemacht werden. Verhaltensänderungen sind der erste Schritt zur Lösung der Süßwasserkrise.
„Guter Umgang“ mit Süßwasser
Ein „guter Umgang mit Süßwasser“ darf bestimmte soziokulturelle und ökologische Grenzen (sog. „Leitplanken“) nicht überschreiten. Der Beirat ist der Ansicht, daß es jetzt auf die konkrete Bestimmung dieser Grenzen ankommt.
Im einzelnen wird empfohlen: Mindeststandards für die individuelle Grundversorgung festzulegen, die länder- und kulturspezifischen Süßwasserbedarfe zu ermitteln, allgemeine Sicherheitsstandards im Hinblick auf wasserbedingte Naturkatastrophen festzulegen, krisenanfällige Regionen und Bevölkerungsgruppen zu ermitteln, internationale Gerechtigkeitsgrundsätze für den Zugriff auf Süßwasserressourcen zu vereinbaren, den weltweiten Bestand an fossilen Grundwasservorkommen sowie der Erneuerungs- und Selbstreinigungsraten rezenter Grundwasservorkommen zu ermitteln, den weltweiten Bestand an schützenswerten Süßwasser-Ökosystemen zu erfassen und wertvolle Biotope zu schützen (Weltnaturerbe), die Belastungsgrenzen von Ökosystemen zu ermitteln und die Methoden der integrierten Analyse weiterzuentwickeln.
Natürliche Süßwasserlebensräume erfüllen wichtige Funktionen innerhalb der Natur und für den Menschen. Sie verdienen daher besonderen Schutz. Der Beirat empfiehlt, Feuchtgebiete nicht länger trockenzulegen und bereits zerstörte wieder zu renaturieren, keine ungeklärten Abwässer in stehende Gewässer einzuleiten und die Uferzonen von Gewässern unter besonderen Schutz zu stellen.
(Quelle: WBGU Presseerklärung zum Jahresgutachten 1997, 16.07.1997)
Stand: 26.05.1999