In letzter Zeit – eigentlich sogar schon seit dem Jahr 2002 – steht regelmäßig die „Netzneutralität“ zur Debatte. Wem das eher abstrakte Wortungetüm nichts sagt, braucht sich aber ganz sicher nicht zu schämen. Im folgenden Artikel wird das Wichtigste zum Thema zusammengefasst.
Die Netzneutralität gibt vor, dass Internetprovider als Grundversorger für die digitale Infrastruktur dazu verpflichtet sind, jegliche Daten mit gleicher Geschwindigkeit und Qualität vom Absender zum Empfänger zu transportieren. Dieses so simple wie faire Prinzip trägt seit jeher dazu bei, dass das Internet als „Innovationsmotor“ unserer modernen Informationsgesellschaft fungiert. In Deutschland kümmert sich die Bundesnetzagentur um ihren Erhalt und beruft sich dafür auf die EU-Verordnung 2015/2120 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet.
Das Ende des freien Internets?
Doch in den USA, wo die Netzneutralität bisher in der „Open Internet Order“ festgeschrieben war, hat nun im Dezember letzten Jahres die Federal Communications Commission (FCC) unter der Trump-Regierung einen folgenschweren Beschluss verabschiedet: Provider sollen von jetzt an als „Informationsdienste“, wie es etwa Nachrichtenportale und TV-Sender sind, selbst entscheiden dürfen, welche Inhalte sie mit welcher Qualität übertragen wollen.
Technisch umsetzbar ist so etwas schon länger: Das „Internet Protocol“, das dem World Wide Web zugrunde liegt, erlaubt es, einzelne Datenpakete anhand ihrer IP-Adresse zu identifizieren und sie nach Belieben zu verlangsamen oder sogar zu blockieren.
Dass der FCC-Beschluss zumindest teilweise auf immensen Lobbydruck zurückzuführen ist, erscheint naheliegend. Denn davon profitieren in erster Linie die großen US-amerikanischen Internetprovider, die nun die Möglichkeit haben, Einfluss auf die Inhaltsverbreitung im Internet zu nehmen und zusätzliche Gewinne zu erwirtschaften, indem sie für schnellere Datenverbindungen mehr Geld verlangen.
Zudem könnten sich Großkonzerne (wie zum Beispiel Facebook), die gut bezahlen, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz sichern und die Einstiegshürden für Newcomer, Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen weiter erhöhen. Da ist es nur nachvollziehbar, dass die Abschaffung der Netzneutralität auf heftigen Widerstand stößt. Und damit nicht genug: Sollte dieser Trend in anderen Staaten Schule machen, wäre nicht nur das Internet an sich in Gefahr, sondern auch unser modernes gesellschaftliches Leben.
Was wäre wenn…
Der US-Rechtsprofessor Tim Wu, der die Debatte einst mit anstieß, bezeichnet die Netzneutralität als fundamentale Grundlage für den Erhalt demokratischer Grundwerte wie die Meinungsfreiheit. Ohne sie hätten Provider theoretisch die Möglichkeit, Zensur auszuüben – und Regierungen könnten diesen Umstand ausnutzen. So haben in jüngster Vergangenheit autoritäre Staatsführungen – zum Beispiel im Iran und in der Demokratischen Republik Kongo – wiederholt den Internetzugang im eigenen Land beschränkt oder verhindert, um über soziale Medien organisierte Proteste in ihrer Reichweite einzuschränken. Das populärste Beispiel für Internetzensur ist aber die Volksrepublik China, die mit ihrer „Great Firewall“ effektiv Datenpakete mit bestimmten IP-Adressen und Schlüsselbegriffen blockt.
Und ja, auch in Deutschland wäre eine Einflussnahme auf die Freiheit des Internets nicht undenkbar. Derartige Versuche wurden tatsächlich schon unternommen, auch wenn die Initiatoren eigentlich Gutes im Sinn hatten: So versuchte die Regierung mit dem Zugangserschwerungsgesetz vorübergehend, Provider dazu zu verpflichten, vom Bundeskriminalamt indizierte Kinderporno-Webseiten zu sperren. Im schlimmsten Fall könnten die aktuellen Geschehnisse in den USA also auch in Europa und Deutschland den Trend hin zu einem diskriminierenden Internet befördern.
Allerdings gibt es Grund zur Hoffnung: Inzwischen mobilisiert sich eine breite Front gegen den FCC-Beschluss, bestehend aus der Zivilgesellschaft, Wirtschaftsvertretern, demokratischen Politikern, ganzen US-Bundesstaaten und seit Neuestem auch der sogenannten „Internet Association“, zu der unter anderem Facebook, Google und Netflix gehören – also genau solche Unternehmen, die von der Abschaffung der Netzneutralität eigentlich profitieren könnten.
(Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit dem externen Autor Lukas Schmid., 22.01.2018 – )