Zwangsstörungen werden in der Regel psychotherapeutisch behandelt. Nicht immer bringt diese Methode Erfolg, sodass mitunter auch auf Arzneimittel wie Antidepressiva zurückgegriffen werden muss. Mit diesen Medikamenten lassen sich die Symptome lindern; allerdings sind sie in ihrer Wirkung nicht auf den Auslöser der jeweiligen Erkrankungsform zugeschnitten und bringen teils unangenehme Nebenwirkungen mit sich.
Bei der Erforschung der Ursache im Gehirn, die für eine effektivere Behandlung von großer Bedeutung ist, sind Wissenschaftler nun einen Schritt weitergekommen und könnten somit den Weg für neue Therapiemöglichkeiten freigelegt haben.
Zwangserkrankung hat viele Gesichter
Unter einer Zwangsstörung versteht man eine neuropsychiatrische Erkrankung, die zu den psychischen Störungen gezählt wird. Bei Betroffenen kommt es zu einem inneren Zwang, bestimmte Handlungen auszuführen oder bestimmte Dinge zu denken. Dabei wissen sie, dass ihre Taten und Gedanken sinnlos sind, können sich ihnen jedoch nicht widersetzen – die Angst, ansonsten könne etwas Schlimmes passieren, überwiegt.
Zu den Zwangsstörungen zählt man verschiedene Formen. Zu den häufigsten zählen der Kontrollzwang, bei dem man beispielsweise mehrere Male kontrolliert, ob die Tür verschlossen ist, der Zählzwang, der sich dadurch äußert, dass ein Mensch verschiedene alltägliche Dinge wieder und wieder zählt, sowie der Waschzwang, bei dem ein übertriebenes Hygieneverhalten besteht. Seltener sind beispielsweise der ständige Drang, anderen Menschen ein Geschenk zu machen (Doromanie) oder der Zwang, sich die Kopfhaare auszureißen (Trichotillomanie).
Je nachdem, ob es sich um Gedanken oder Taten handelt, unterscheidet man Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Dabei muss aber nicht jeder dieser Gedanken bzw. Handlungen zwingend krankhaft sein, es kann sich auch um eine eher harmlose Macke oder einen Tick handeln. Experten zufolge gilt ein Zwang dann als krankhaft, wenn der Betroffene seelisch darunter leidet und seine Zwänge ihn in seinem Alltagsleben einschränken. (Paradisi, 2009)
Die Krankheit ist keineswegs nur bei Jugendlichen und Erwachsenen verbreitet: Bei etwa 20 Prozent aller Betroffenen kommt es bereits im Kindesalter bis zehn Jahren zur Entwicklung der Störung; dabei sind Jungen etwas häufiger betroffen als Mädchen. Diagnostiziert wird die Erkrankung jedoch oftmals erst viele Jahre später. (Deutsches Ärzteblatt, 2011)
Fehlendes Protein als Ursache
In der Forschung sucht man nach Therapiemöglichkeiten, die gezielter wirken und dabei weniger Nebenwirkungen mit sich bringen. Bedeutend ist in diesem Zusammenhang, die auslösenden Faktoren, die man mitunter in der Störung bestimmter Hirnfunktionen vermutet, genauer zu entschlüsseln. Wissenschaftler der Universität Würzburg haben diesbezüglich einen großen Fortschritt gemacht: Bereits das Fehlen eines bestimmten Proteins kann eine bestimmte Zwangshandlung auslösen.
Dabei geht es um ein Protein, welches in allen Körperzellen vorkommt, im Hirn jedoch in besonders großer Menge vertreten ist. Dort ist es dafür zuständig, einen bestimmten Signalweg in seiner Aktivität zu hemmen. Dieser Signalweg wird als „Rezeptortyrosinkinase TrkB“ bezeichnet. Fehlt das Protein, steigt die Aktivität und es kommt zu einer überschießenden Reaktion, die sich beim Menschen durch das Ausführen von Zwangshandlungen zeigen kann.
In ihrem Versuch, der mit Mäusen durchgeführt wurde, entdeckten die Wissenschaftler, dass es zu einem übertriebenen Reinigungsverhalten kommen kann, sobald das Protein SPRED2 nicht mehr vorhanden ist. Dieses kommt normalerweise in besonders konzentrierter Form in der Amygdala-Region sowie in den Basalganglien im Gehirn vor und übernimmt dort die Aufgabe der Hemmung der Ras/ERK-MAP-Kinase-Kaskade, dem besagten Signalweg. Bei Tieren, denen SPRED2 fehlte, wurde die Kaskade aktiver und führte zum Zangsverhalten, in diesem Fall dem Reinigungszwang.
Gängige Behandlung und neue Möglichkeiten
Zwangsstörungen werden in der Regel mithilfe der Kognitiven Verhaltenstherapie behandelt. Mitunter kombiniert man diese auch mit einer medikamentösen Behandlung. (DGZ, 2007)
Es gibt aber auch Fälle, in denen weder Psychotherapie noch Medikamente eine Wirkung zeigen; dann erweist sich die Tiefe Hirnstimulation, bei der dem Patienten Elektroden (so genannte Hirnschrittmacher) ins Hirn implantiert werden, als sinnvoll. (Welt, 2015)
Im Versuch der Forscher, die Signalkaskade zu hemmen, zeigte die Behandlung mit einem Antidepressivum, welches bei Menschen mit dieser Erkrankung ebenso verabreicht wird, Erfolge. Nun soll herausgefunden werden, ob andere Mittel nicht ebenso effektiv sein könnten, ohne dass es dabei aber zu Nebenwirkungen kommt. Denn Arzneien, die die auslösende Kaskade hemmen könnten, gibt es bereits, und zwar in Form von Krebsmedikamenten. (Universität Würzburg, 2017)
(, 15.05.2017 – )