Einen Film schauen, im Internet surfen oder E-Mails schreiben, während das Auto von alleine fährt. Hochautomatisierte Fahrzeuge werden das schon bald möglich machen. Doch in absehbarer Zukunft muss der Fahrer immer noch im Stande sein, rechtzeitig das Steuer wieder zu übernehmen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat dafür jetzt ein System entwickelt, das den Fahrer direkt auf dem Mobilgerät warnt, wenn die Automation an ihre Grenzen stößt.
Schon seit mehreren Jahren betreibt das DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik in Braunschweig Versuchsfahrzeuge und Simulatoren, um das hochautomatisierte Fahren zu erproben und zu perfektionieren. Bei dieser Art der Automation bildet der Fahrer die Rückfallebene. Er hat zwar die Möglichkeit, temporär Verantwortung abzugeben und sich während der Autofahrt verstärkt anderen Tätigkeiten zuzuwenden, doch er muss jederzeit in der Lage sein, das Steuer wieder zu übernehmen.
„Trotz der stetigen Entwicklung der Sensorik müssen wir in absehbarer Zeit davon ausgehen, dass es immer Szenarien geben kann, an denen die Automation an Grenzen stößt“, weiß Prof. Dr. Karsten Lemmer, Leiter des Instituts für Verkehrssystemtechnik. Baustellen, Schneefall oder dichter Nebel sind Situationen, die durch das System noch nicht gelöst werden. Hier muss das Fahrzeug die Fahraufgabe rechtzeitig und komfortabel an den Fahrer zurück delegieren.
Der Fahrer muss frühzeitig gewarnt werden
Am Beispiel des Surfens mit einem Tablet-PC untersuchen die DLR-Forscher in dem Projekt MobiFAS –(Mobilgerätenutzung in hochautomatisierten Fahrzeugen), wie und wann das Auto das Steuer an den Fahrer übergeben sollte. „Naht beispielsweise eine enge Baustelle kann die Ablenkung durch ein Mobilgerät zum Problem werden“, erklärt Stephan Lapoehn, Leiter des Projekts MobiFAS.
Der Fahrer muss hierzu die Arbeit am Mobilgerät unterbrechen und sich mit einer ausreichenden Zeitreserve auf die Fahrsituation einstellen, um das Steuer übernehmen zu können. Schon heute ist jeder vierte Autofahrer durch die Nutzung mobiler Endgeräte beim Autofahren abgelenkt. Das kann katastrophale Folgen haben. Wie kann der Fahrer eines hochautomatisierten Fahrzeugs also möglichst komfortabel, schnell und vor allem sicher wieder zurück an das Steuer geholt werden?
Um das zu erreichen, verbinden die Forscher das Mobilgerät des Fahrers mit dem Assistenzsystem des Fahrzeugs. In einer Simulatorstudie haben sie eine Interaktionsstrategie entwickelt, die frühzeitig Informationen auf dem Tablet anzeigt, das Tablet sperrt und den Nutzer wieder in die Fahraufgabe einbindet.
Bitte übernehmen Sie!
Mittels Floating-Car-Data (FCD) oder Daten aus der drahtlosen Kommunikation zwischen Fahrzeugen und der Infrastruktur (V2X-Kommunikation) erkennt das Fahrzeug, dass eine Baustelle naht – die Automation stößt an ihre Grenzen. Ein Hinweis auf dem Tablet beschreibt die bevorstehende Verkehrssituation und fordert den Fahrer erstmals auf, das Steuer zu übernehmen. Dafür hat er zunächst 16 Sekunden Zeit. Mit der ersten Warnmeldung bremst das Versuchsfahrzeug in der Simulation gemäß der Beschilderung vor der Baustelle automatisch auf 80 Stundenkilometer ab.
Zusätzlich wird dem Nutzer permanent angezeigt, wie viele Meter das Fahrzeug noch hochautomatisiert zurücklegt, bis die kritische Situation erreicht ist. Übernimmt der Fahrer nach den ersten 16 Sekunden nicht, wird eine zweite visuelle Meldung auf dem Tablet und dem Head Down Display im Armaturenbereich dargestellt und ein akustisches Signal ausgegeben. Jetzt hat der Fahrer noch zehn Sekunden Zeit. Das Tablet wird für Eingaben gesperrt und die Soundausgabe blockiert. Reagiert der Fahrer noch immer nicht, bremst das Fahrzeug automatisch ab und versetzt sich selbst in einen sicheren Zustand. „Durch das Warnsignal direkt auf dem Tablet und im Head-Down-Display soll erreicht werden, dass der Fahrer dort gewarnt wird, wo er aktuell hinguckt und genügend Zeit hat, sich auf die Übernahme vorzubereiten“, so Lapoehn.
Mit MobiFAS kann der Fahrer eines hochautomatisierten Autos mehr Zeit gewinnen, in dem er beispielsweise arbeiten oder entspannt im Internet surfen kann und sicher und zuverlässig auf seinem mobilen Endgerät gewarnt wird, wenn die Technik an ihre Grenzen stößt.
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 22.07.2015 – NPO)