Seit einiger Zeit berichten die Medien intensiv über Manipulationen, die der ADAC bei der Wahl zum „Gelben Engel“ vorgenommen hat, einem Mitgliederpreis, den das Unternehmen jährlich an Automobilhersteller vergibt. Ob solche Verzerrungen tatsächlich typisch sind und welche Auswirkungen sich daraus ergeben, haben die Ökonomen Ralf Dewenter, Professor für Industrieökonomik an der Helmut-Schmidt-Universität, und Uli Heimeshoff von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität untersucht. Es wurden Verzerrungen der Tests von Automobilzeitschriften analysiert und deren Auswirkungen auf die Verkäufe von Fahrzeugen untersucht.
Eine erste Untersuchung beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern Automobilzeitschriften einen Anreiz haben, die Testergebnisse von Fahrzeugen zugunsten derjenigen Hersteller, welche die besten Werbekunden der Zeitschriften darstellen, zu verzerren. Die Idee hinter dieser Annahme ist einfach: Hersteller, die in vergleichsweise großem Umfang Werbung schalten, werden besser bewertet als andere Hersteller. Anders ausgedrückt: Schneiden die großen Werbekunden schlecht ab, besteht die Gefahr, dass diese ihre Werbung in Zukunft bei anderen Medien schalten.
Überdurchschnittlich viele deutsche Fahrzeuge im Test
Tatsächlich deuten die Ergebnisse der Untersuchung auf die Existenz eines Media Bias hin. Schon bei der Auswahl der getesteten Fahrzeuge werden diejenigen bevorzugt, die hohe Werbevolumen aufweisen. Darüber hinaus werden überdurchschnittlich viele deutsche Fahrzeuge getestet, verglichen mit den Marktanteilen dieser Hersteller. Das heißt also, ein deutscher Hersteller oder ein Hersteller, der viele Anzeigen schaltet, wird mit einer größeren Wahrscheinlichkeit getestet als ein ausländischer Hersteller oder einer, der wenig für Werbung ausgibt.
Gute Werbekunden doppelt bevorzugt
Eine weitere Verzerrung lässt sich ebenso bei der Bewertung der Fahrzeuge, also den Testergebnissen, feststellen. Auch hier schneiden diejenigen Hersteller besser ab, die große Werbebudgets haben. Gute Werbekunden werden tendenziell zweimal bevorzugt: Zum einen bei der Auswahl der Testfahrzeuge, zum anderen bei der Durchführung der Test. Von einer unverzerrten Berichterstattung kann also nicht die Rede sein. Grundsätzlich scheint es also durchaus Gründe zu geben, bestimmte Hersteller aufgrund von wirtschaftlichen Anreizen zu bevorzugen.
Testergebnisse beeinflussen Absatz
Anhand einer zweiten empirischen Studie zeigen die Autoren, dass ebenso ein Einfluss der Testergebnisse auf den Absatz von Kraftfahrzeugen besteht. So nehmen die erreichten Punkte in einem Test einer Automobilzeitschrift einen statistisch signifikanten Einfluss auf die Zulassungen von Fahrzeugen eines Herstellers. Eine 1-prozentige Erhöhung der Punktzahl in einem Test führt zu einer Erhöhung der Neuzulassungen des Herstellers von 0,04 bis 0,06 Prozent.
Zwar erscheinen diese Effekte auf den ersten Blick nicht all zu hoch, jedoch muss man sich vor Augen führen, welche Auflagenhöhe eine Automobilzeitschrift hat und welche Faktoren insgesamt einen Einfluss auf die Neuzulassungen nehmen. Ein Automobiltest kann nur für die Leser dieser Zeitschriften eine Wirkung entfalten, jedoch nicht für andere Verbraucher. Ebenso sind Neuregistrierungen nicht identisch mit den Käufen von Neuwagen oder relativ neuen Modellen (die jedoch weitaus häufiger getestet werden), auf die Neuanmeldung älterer gebrauchter Fahrzeuge kann ein solcher Test also gar keinen Einfluss nehmen. Ebenso ist eine Erhöhung der Punktzahl von 1 Prozent auch nur ein relativ geringer Wert.
Wettbewerbseffekte verzerrter Testergebnisse
Insgesamt besteht sowohl ein Anreiz zur Verzerrung, als auch eine signifikante Auswirkung der Einflussnahme auf die Testergebnisse. Die verzerrte Berichterstattung zugunsten eines oder mehrerer Anbieter nimmt damit auch Einfluss auf den Wettbewerb zwischen den Automobilherstellern. Es kommt zu einer Bevorzugung bestimmter Hersteller und zu einer Benachteiligung aller anderen Marken. Werden bestimmte Hersteller gar über einen längeren Zeitraum besonders gut oder besonders schlecht bewertet, so könnte dies den Eindruck über bestimmte Qualitäten auf Seiten der Verbraucher bestätigen und damit Marktanteile verfestigen.
Objektive Kriterien sind sinnvoll
Wirtschaftliche Anreize können dazu führen, dass Produkttests zugunsten großer Werbekunden oder aufgrund anderer Umstände verzerrt werden. Verringern lässt sich das Problem nur dann, wenn möglichst viele Medien über die Produkte berichten, also ein Wettbewerb zwischen den Produkttests besteht. Magazine, die geringere Anteile der Werbeeinnahmen am Gesamtumsatz verzeichnen, könnten dann niedrigere Anreize zur Verzerrung bieten – jedenfalls, wenn die Leser eine objektive Einschätzung zu schätzen wissen. Erwarten die Verbraucher aber ein solches Ergebnis, schützt auch der Wettbewerb nicht vor gefälschten Tests. „Jedem Leser sollte klar sein, dass Testergebnisse verzerrt sein können. Es ist sicherlich sinnvoll, auf objektive Kriterien zurückzugreifen, die nicht von den Herstellern oder den Zeitschriften beeinflusst werden können“, erläutert Professor Dewenter.
(Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, 28.02.2014 – AKR)