Technik

iPhone-App bietet individuelle Hörunterstützung

Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT

Bei mobilen Telefonaten können Übertragungsverluste und Umgebungslärm die Sprachverständlichkeit erheblich beeinträchtigen – besonders für Menschen mit einer Hörminderung. Hörforscher haben nun eine App für das iPhone entwickelt, die ein besseres Sprachverstehen bei Internet-Telefonaten über Voice-over-IP ermöglicht. Neben einer Anpassung von Lautheit und Klang an individuelle Präferenzen kann die App auch Hörverluste ausgleichen. Entwickelt wurde die Technologie von der Oldenburger Projektgruppe für Hör,- Sprach- und Audiotechnologie des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT.

Individuelle Klanganpassung ohne Hörtest

Die vorgestellte App »AuditoryVoIP« bietet über die Standardfunktionen eines Software-Telefons hinaus eine Hörunterstützung, die vom Nutzer selbst eingestellt werden kann. Ein Hörtest ist dazu nicht erforderlich. Über eine einfache Bedienoberfläche können Anwender aus verschiedenen Voreinstellungen wählen, welche Klangqualität und welche Lautstärke für sie angenehm ist. Eine intelligente Signalverarbeitung optimiert dann jedes eingehende Gespräch auf dieses Hörprofil. Vorher zu leise, zu laut, dröhnend, gedämpft oder schrill klingende Sprachsignale werden als gleichmäßiges Klangbild mit verbesserter Sprachverständlichkeit wiedergegeben. Nach ersten Studien können so auch Menschen mit gering- und mittelgradigen Hörverlusten Telefongespräche wieder gut verstehen.

»Neu an unserem Verfahren ist, dass das Telefonsignal nicht auf einen technischen Normwert optimiert wird, sondern auf die persönlichen Hörbedürfnisse des Nutzers. Für unsere Lösung ist es dabei unerheblich, ob ein Normalhörender bestimmte Klangpräferenzen hat oder eine medizinisch festgestellte Schwerhörigkeit vorliegt«, erläutert Jan Rennies von der Projektgruppe Hör,- Sprach- und Audiotechnologie. »AuditoryVoIP hat aber nicht den Funktionsumfang eines Hörgeräts. Die Technologie ist speziell auf die Frequenzbreite des Telefonsignals optimiert.«

Rund 50 Millionen unversorgte Schwerhörige in Europa

Der Übergang von normalem Hören zu einer Schwerhörigkeit ist fließend. Bereits ab einem Alter von 50 Jahren nimmt das natürliche Hörvermögen ab. In Europa nutzen rund 50 Millionen Menschen mit Hörminderung kein Hörgerät, obwohl sie davon profitieren könnten. Um diese Gruppe zu adressieren, arbeitet die Fraunhofer-Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie an Verfahren, um personalisierte Hörunterstützung in Telekommunikations- und Unterhaltungselektronik zu integrieren.

»Ein schlechtes Sprachverstehen muss meist durch eine höhere Konzentration aufgefangen werden. Diese mentale Beanspruchung kann zu Ermüdungserscheinungen und zu Leistungsabfall im Arbeitsleben führen«, erläutert Professor Birger Kollmeier, Leiter der Projektgruppe und Sprecher des Exzellenzclusters »Hearing4all« an der Universität Oldenburg, die Motivation zur Entwicklung der Technologie. »Darüber hinaus ist es wichtig, dass der Gehörsinn in Übung bleibt – ähnlich wie bei Muskeln. Wenn der Gehörsinn nicht ausreichend stimuliert wird, lässt seine Funktion nach. Wer bei beginnender Hörminderung zu lange keine Hörunterstützung nutzt, für den ist es später wesentlich schwerer, sich an ein Hörgerät zu gewöhnen und davon zu profitieren.«

AuditoryVoIP wird als Produkt des Forschungs- und Entwicklungsnetzwerks »AuditoryValley« von der Hörtech gGmbH vertrieben und ist zunächst für das iPhone erhältlich. Um die App nutzen zu können, ist ein kostenpflichtiges Zugangskonto bei einem Anbieter für Internettelefonie erforderlich.

(Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT, 04.11.2013 – KSA)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Nano-Spaghetti

Die dünnsten Spaghetti der Welt

Wie Abnehmspritzen auch Alkoholikern helfen

Wie die Totenkopf-Pfeife der Azteken klingt

Ein Raubtier als Bestäuber?

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Die berechnete Welt - Leben unter dem Einfluss von Algorithmen Von Nora S. Stampfl

50 Schlüsselideen Digitale Kultur - Tom Chatfield und Carl Freytag

Expedition Zukunft - Wie Wissenschaft und Technik unser Leben verändern von Nadja Pernat

Top-Clicks der Woche